zum Hauptinhalt

Berlin: Route 66

Der drinking man ist, das lässt sich nicht leugnen, etwas älter als 20. Viele Lokale der Heranwachsenden entsprechen denn auch nicht unbedingt den Kriterien des gepflegten Cocktail-Genusses, wie sie an dieser Stelle unnachgiebig eingefordert werden.

Von Frank Jansen

Der drinking man ist, das lässt sich nicht leugnen, etwas älter als 20. Viele Lokale der Heranwachsenden entsprechen denn auch nicht unbedingt den Kriterien des gepflegten Cocktail-Genusses, wie sie an dieser Stelle unnachgiebig eingefordert werden. Dennoch erscheint es zwingend, ab und zu dem eher jugendlichen public drinking Aufmerksamkeit zu widmen. Schließlich werden dort Geschmäcker vorgebildet, die später zu einem Feingefühl für elegant drinking reifen sollten. Als Testobjekt bot sich ein gigantisches Lokal am Ludwigkirchplatz an: Das Route 66.

Hier wird hemmungslos allen US-Klischees gehuldigt. An den Wänden sind in naivem Naturalismus die Helden Hollywoods aufgemalt: John Wayne, Humphrey Bogart, James Dean, Marilyn Monroe, Elvis Presley, Frank Sinatra und Marlon Brando. Auf Stars-and-Stripes-Servietten prangt die Freiheitsstatue, aus den Boxen schallen ältere Pop- und Rock-Kracher, von „Wooly Bully“ bis „See you later alligator“. Die Serviererinnen tragen meterhohe Bierstangen zu den Tischen. Unten ist ein kleiner Zapfhahn dran. So kann der trinkende Nachwuchs selbstbestimmt die gewünschte Pils-Ration in seine Gläser füllen. That’s freedom.

Eine Kellnerin brachte einen Teller mit käseverklebten Nachos, die sich betonartig in den Magen senkten. Die compañera bekam ein riesiges Stück apple pie. Bei der Auswahl der Cocktails hätte das drinking couple auch eine 1,5-Liter-Version bestellen können, entschied sich aber dagegen. So kamen ein immer noch großer Planter’s, der seltsam kraftlos schmeckte und dessen aufgepfropfte Ananasscheibe vergammelt war, sowie ein passabler Strawberry Margarita. Richtig gut war die in einer Art Familiensenfglas (mit Henkel!) gereichte Lynchburg Lemonade (Jack Daniel’s, Triple Sec, Zitronensaft, Sprite). Auch am Virgin Caipirinha gab es nichts zu mäkeln. Die juvenilen Gäste tranken allerdings fast nur Bier.

Sagen wir mal so: Auf dem Weg der Jugend zum elegant drinking ist das Route 66 ein Umweg, aber keine Sackgasse. Solange man nicht von einer Bierstange erschlagen wird.

Route 66, Pariser Straße 44, Wilmersdorf, Tel.: 883 16 02, sonntags bis donnerstags 10 bis 2 Uhr, Fr/Sa bis 4 Uhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false