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Rudi-Dutschke-Straße: Bürger entscheiden über Umbennung

Fast 30 Jahre nach seinem Tod sorgt der legendäre Studentenführer Rudi Dutschke in Berlin noch einmal für Kontroversen. Am Sonntag entscheiden die Bürger, ob die Kochstraße am Axel-Springer-Verlag in Rudi-Dutschke-Straße umbenannt werden soll.

Auf Antrag von PDS und Grünen wurde schon im Mai 2005 beschlossen, einen Teil der im Stadtteil Kreuzberg gelegenen Kochstraße nach dem Wortführer der 68er-Bewegung zu benennen. Die Straßenschilder wurden aber immer noch nicht ausgetauscht, weil die CDU und einige Unternehmer dagegen Sturm laufen. Außerdem stehen sich bei dem Namensstreit die linksgerichtete "tageszeitung" und der Axel-Springer-Verlag als Anwohner gegenüber. Ein Bürgerentscheid - der erste in der Geschichte des Bezirks - soll am Sonntag eine Entscheidung bringen.

Für die CDU des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg geht es um die Erhaltung einer der traditionsreichsten Straßen Berlins. Die Kochstraße stehe wegen des früher hier angesiedelten Zeitungsviertels "für die Pressefreiheit in dieser Stadt", sagt der CDU-Politiker und Mitinitiator des Bürgerbegehrens, Kurt Wansner. Schon seit 1734 erinnere der Straßenname an den "ehrenwerten Bäckermeister Johann Koch", einen Vizebürgermeister Berlins, der durch seine Spenden den Bau der Straße erst ermöglicht habe, legt die CDU in ihrer Begründung des Bürgerbegehrens dar.

Umbennung sei "historische Gerechtigkeit"

Vorbehalte gegenüber der Person Dutschkes kommen hierin nicht zur Sprache. Auf der Internetseite der Initiatoren finden sich hingegen zwei Aufsätze, denen zufolge Dutschke als "gewaltbereiter 'Revolutionär'" dem Linksterrorismus den Boden bereitet hat. Wansner spricht dem früheren Chef des Sozialistischen Studentenbundes (SDS) immerhin zu, "ein interessanter Wortführer" gewesen zu sein. Aber der Bezirk solle sich lieber um die Arbeitslosigkeit kümmern, anstatt "den Wünschen einer kleinen Tageszeitung" nachzukommen, findet Wansner.

Gemeint ist die in der Kochstraße angesiedelte "taz", die sich mit der Umbenennungsidee Ende 2004 an die Bezirksverordnetenversammlung gewandt hatte. Bei der Vorbereitung einer Dutschke-Sonderbeilage sei der Redaktion aufgefallen, dass es in Berlin "keine wirklichen Plätze gibt, wo Dutschke geehrt wird", sagt "taz"-Redakteur Thilo Knott. Dabei sei Dutschke der Motor einer Bürgerbewegung gewesen, die verkrustete Strukturen in der bundesdeutschen Gesellschaft aufgebrochen habe. PDS-Fraktionsgeschäftsführer Andreas Günther sieht in Dutschke eine "Person der bundesdeutschen Geschichte", die an einem prominenten Ort geehrt werden müsse.

Knott betont, bei der Umbennung gehe es nicht darum, Springer eins auszuwischen. Nachdem der unweit der Kochstraße angesiedelte Verlag eine Axel-Springer-Straße durchgesetzt habe, wäre es in seinen Augen aber eine "historische Gerechtigkeit", wenn auch nach Dutschke eine Straße benannt würde - die noch dazu die kleine Axel-Springer-Straße als Vorfahrtsstraße kreuzt.

"Ehrenwerter Bäckermeister" versus 68er-Idol

In der Zeit der Studentenbewegung hatten sich Springer-Verlag und Dutschke als Kontrahenten gegenüber gestanden. Als 1968 ein Kommunistengegner Dutschke auf offener Straße niederschoss, war für die Studentenbewegung die Schuldfrage klar: Die Polemik der "Bild"-Zeitung gegen Dutschke habe das Attentat provoziert, warf sie Springer vor. Am 24. Dezember 1979 starb Dutschke an den Spätfolgen des Anschlags.

Die Axel Springer AG will von einer Fortsetzung der alten Auseinandersetzung nichts wissen. "Uns interessieren die alten ideologischen Gefechte, die die 'taz' hier führen will, überhaupt nicht", sagt Unternehmenssprecherin Edda Fels. Springer gehe es nicht darum, eine Dutschke-Straße zu verhindern, sondern um den Erhalt der traditionsreichen Kochstraße. Das Unternehmen schloss sich daher einer Interessengemeinschaft an, die im März beim Verwaltungsgericht Berlin Klage gegen die Umbenennung eingereicht hatte. Sollte die CDU beim Bürgerentscheid Erfolg haben, würde sich die Klage der 27 Unternehmer und Gewerbetreibenden erledigen. Anderenfalls wird eine Gerichtsentscheidung noch für dieses Jahr erwartet.

"taz"-Redakteur Knott ist zuversichtlich, dass weder der Bürgerentscheid noch die Klage die Umbenennung eines Teils der Kochstraße verhindern werden. Auf seiner Visitenkarte steht jedenfalls schon jetzt "Rudi-Dutschke-Straße".

Yvonne Brandenberg[AFP]

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