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Symbol der autogerechten Stadt: Die Brücke am Breitenbachplatz soll abgerissen werden.

© Kitty Kleist-Heinrich

Rückbau der autogerechten Stadt: Weniger Tunnel und Fahrstreifen, mehr Boulevards und Bäume

Seit Jahrzehnten prägt das Auto das Stadtbild. Sechs Berliner Bürgerinitiativen fordern neue Prioritäten. Eine könnte in absehbarer Zeit verwirklicht werden.

Es waren nicht allein die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges, die das Stadtbild Berlins tiefgreifend verändert haben. Beim Wiederaufbau in der Nachkriegszeit prägte das Leitbild der "autogerechten Stadt" die Planungen - eine folgenreiche Entwicklung, die gewachsene Kieze mit mehrspurigen Straßen durchschnitt und die sozialen Strukturen nachhaltig veränderte. "Mit dem Siegeszug des Autos verschoben sich die Prioritäten: erst das Auto, dann der Mensch", schreiben die Autoren eines Positionspapiers, das zum Umdenken in der Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik führen soll.

Tunnel am Bundesplatz sollen zugeschüttet werden

Die "autogerechte Stadt" sei "an ihre Grenzen gestoßen, an soziale, wirtschaftliche und ökologische", heißt es in dem Papier mit dem Titel "Respekt für die Menschen in unserer Stadt". Gefordert wird "ein Programm für den Rückbau der autogerechten Stadt". es sei an der Zeit, "die verfehlte Stadtplanung der Nachkriegsjahrzehnte zu korrigieren". Das Papier soll jetzt an den Senat und die Bezirke weitergeleitet werden, um die Verkehrswende voranzubringen. Zu dem Netzwerk gehören die Bürgerinitiativen Breitenbachplatz und Wilmersdorfer Mitte, die Initiativen Bundesplatz, Friedrich-Wilhelm-Platz und Prinzregentenstraße sowie die Stadtteilinitiative um den Leon-Jessel-Platz in Wilmersdorf.

Die Initiatoren wollen ihre Forderungen nicht als "autofeindlich" verstanden wissen. Doch müssten bei den Überlegungen für die urbane Mobilität andere Prioritäten als bisher gesetzt werden. "Die Verkehrsplanung der Zukunft muss bei den Bedürfnissen der Fußgänger ansetzen, dann der Radfahrer, schließlich des ÖPNV und erst dann beim motorisierten Individualverkehr."

Wo Autos verschwinden, können Kieze Attraktivität gewinnen

Konkret fordert das Netzwerk, bei der zukünftigen Verkehrs- und Stadtplanung auf eine gerechte Verteilung der Flächen zu achten und auf die Ansprüche aller Verkehrsteilnehmer gleichermaßen Rücksicht zu nehmen. Bei der Entwicklung von der "auto- zur menschengerechten Stadt" sei darauf zu achten, Kiezzentren wieder zu stärken, Plätze als Orte der Begegnung und Erholung zu entwickeln sowie "attraktive Freiräume durch Einschränkung des Privatverkehrs" in der City "und Parkraumbewirtschaftung" zu schaffen.

Die im Stadtbild geschlagenen "Wunden" der autogerechten Stadt sollen möglichst repariert werden. Dafür wird unter anderem gefordert, die beiden Straßentunnel in der Bundesallee in Charlottenburg-Wilmersdorf zuzuschütten. Stattdessen soll dort ein Boulevard mit Promenade und Baumreihen entstehen. Die Fahrstreifen auf verkehrsträchtigen Straßen wie der Bundesallee, dem Hohenzollerndamm, der Uhlandstraße und der Mecklenburgischen Straße sollen reduziert werden. Schluss sein soll außerdem mit dem Durchgangsverkehr in der Wilmersdorfer Mitte, um dort eine "Wiederzusammenführung der Teile von Volkspark und Wilhelmsaue mit Möglichkeiten zur ebenerdigen Querung der Straßen" zu realisieren. Am Breitenbachplatz soll die Brückenüberführung abgerissen werden, um den historischen Platzgrundriss wiederherzustellen.

Abrisspläne für Brücke am Breitenbachplatz

Zumindest diese Forderung hat gute Aussichten, in absehbarer Zeit verwirklicht zu werden. Der Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses hatte sich am Donnerstag vergangener Woche mit den Stimmen von SPD, CDU, Linken und Grünen für einen „Abriss beziehungsweise weitgehenden Rückbau und Umbau der Brücke über den Breitenbachplatz und eine ebenerdige Führung des motorisierten Verkehrs entlang des Platzes“ ausgesprochen. Dafür solle der Senat bis Mai 2020 eine Machbarkeitsstudie vorlegen. 

Die Initiativen wollen sich nicht nur auf ihre "lokalen Aktivitäten und Projekte" beschränken, sondern diese "in ein übergeordnetes Konzept und Vorgehen einbinden. Als engagierte Bürgerschaft müssen wir diesen Stadtraum im Großen denken", heißt es in dem Positionspapier. Es sei wichtig, dass sich lokale Konzepte und Lösungen "nahtlos in eine Gesamtschau einordnen und diese stützen". Nur so könnten Bürgerinitiativen "Politik und Verwaltung auffordern, ebenfalls im Großen zu handeln".

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