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Berlin: Rückfall in den Häuserkampf

Aus Besetzern wurden Mieter, doch in Friedrichshain attackierten jetzt Randalierer die Polizei – und bewarfen Beamte im Hinterhof mit Möbeln

Die Stuckfassaden sind aufwändig saniert, doch dahinter brodelt es, als wenn das Haus immer noch in der Hand von Autonomen wäre. Eine regelrechte Schlacht lieferten sich Bewohner und Besucher des in den 90er Jahren besetzten Hauses Kreutzigerstraße 12 in der Nacht zu Sonnabend. Etwa 300 stark alkoholisierte Punks griffen die Polizei mit Steinen und Flaschen an, aus den oberen Stockwerken heraus wurden Polizisten mit Möbeln und Elektrogeräten beworfen. Fünf Randalierer wurden wegen schweren Landfriedensbruchs festgenommen. Fünf Beamte erlitten Verletzungen, mehrere Einsatzfahrzeuge wurden beschädigt. Die Kreutziger und die Boxhagener Straße in Friedrichshain waren bis zwei Uhr früh gesperrt.

Der erste Anruf ging bei der Polizei eine halbe Stunde vor Mitternacht ein: unzumutbarer Lärm auf der Kreutziger Straße. Als die ersten Beamten eintrafen, wurde auf der Straße laut Musik gespielt, auf Plakaten lasen die Beamten, dass im Hinterhaus ein „Hardcore“-Konzert stattfindet. Doch auf dem Weg in den Hof wurden die Beamten mit Gewalt aus dem Hausflur gedrängt, vergeblich versuchten einige Punks, die Haustür zu verbarrikadieren. Als eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei gegen Mitternacht als Verstärkung eintraf, wurden sie von 300 Leuten empfangen. Nach der Räumung des Hofes und des Konzertraumes – die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein – verlagerte sich der Krawall auf die Boxhagener Straße.

Auf der Kreuzung zeugten eine Masse zerschlagener Flaschen noch gestern Mittag von den Auseinandersetzungen. Im Hof des Hauses fegten schlecht gelaunte und verkaterte Punks Scherben und Gerümpel zusammen, in einer Ecke türmten sich Spanplatten von zertrümmerten Möbelstücken. Ein Gespräch mit dem Tagesspiegel-Reporter kam nicht zustande, außer einem mehrfach wiederholten „Raus“. Vor dem Rausschmiss ließ sich ein junges Punkermädchen mit knalligroten Haaren noch ein „Ich hab schon viel zu viel gesagt“ entlocken. Schnell riss sie noch die Konzertankündigung von Freitagabend im Treppenhaus von der Wand – aber die lässt sich auch im Internet nachlesen: Als „krachender Knüppel-aus-dem-Sack-Hardcore“ wird die Musik der beiden finnischen Musikgruppen beschrieben, der Beginn war für 22 Uhr im Keller des Hinterhauses angekündigt. Die Konzerte im so genannten WTC („World Trash Center“) ist für Insider ein Begriff; die „lassen nichts an Lautstärke missen“, wirbt die hauseigene Internetseite.

Das Haus war wie mehrere andere in der Kreutziger und der parallelen Mainzer Straße im Frühsommer 1990 besetzt worden, 1992 bekamen die Besetzer Mietverträge. Zu ihrem Unwillen verkaufte die Wohnungsbaugesellschaft das Haus jedoch einem privaten Investor. Der sanierte das Haus mit Liebe, wunderschön geschwungene Balkonbrüstungen zieren die Fassade. Doch darunter, auf dem Gehweg stapelte sich gestern der Müll: ein Kühlschrank, ein Gaszähler, Kartons mit leeren Flaschen. Vor knapp drei Jahren, als die Kreutziger-Mieter noch mit dem Tagesspiegel sprachen, hatten sie sich so gelobt: „Von dem Haus ist nie Gewalt ausgegangen.“ Das ist seit der Nacht zu Sonnabend anders. Für den morgigen Montag ist übrigens wieder ein Konzert im „WTC“ angekündigt. Wieder um 22 Uhr, wieder „Hardcore-Punkrock“. „Wir bleiben unregierbar“, heißt es noch auf der Ankündigung.

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