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Kristin Brinker fasste am Dienstagabend den Entschluss, von ihrem Amt als Co-Vorsitzende der Berliner AfD zurückzutreten.

© imago images/Jens Jeske

Rückzug vom Co-Vorsitz: Streit in Berliner AfD-Fraktion eskaliert weiter

Es geht um Geld, Macht und die Zukunft der Fraktion: Nach dem Rückzug von Kristin Brinker verhärten sich die Fronten.

Vier Wochen nach ersten Berichten über eine drohende Spaltung der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus eskaliert der Streit weiter. Jüngster Beleg: Der Rücktritt von Haushalts- und Finanzexpertin Kristin Brinker vom Posten der stellvertretenden Fraktionschefin.

Die zuletzt zur Gegenspielerin des Fraktionsvorsitzenden Georg Pazderski avancierte Brinker fasste den Entschluss am Dienstagabend im Anschluss an eine turbulent verlaufene Fraktionssitzung. Sie begründete den Schritt mit den „von mir seit langem kritisierte Finanzgebaren als auch dem menschenverachtenden Umgang mit Mitarbeitern der Fraktion“.

Hinzu kam die mit einer Mehrheit von zwölf zu acht Abgeordneten getroffene Entscheidung, die Finanzverwaltung der Fraktion nun doch nicht an einen externen Dienstleister zu übertragen. Genau das hatten die Abgeordneten Mitte Mai auf Drängen Brinkers und anderer beschlossen.

Die für die Übergabe zuständigen Mitarbeiter, Fraktionsgeschäftsführer Andreas Einfinger und der Finanzleiter Thomas Schapals, wurden in der Zwischenzeit fristlos beziehungsweise in der Probezeit entlassen. Im Brinker-Lager ist von „menschlicher Niedertracht in ungeahntem Ausmaß“ und „stalinistischen Säuberungen“ die Rede.

Tagesspiegel-Informationen zufolge leiden mehrere Mitarbeiter der Fraktion an Burnout. Einzelne Angestellte hatten zuletzt von sich aus gekündigt – aus Rücksicht auf die eigene Gesundheit.

Pazderski-Vertrauter gab Rücktritt bekannt

Pikant: Der Öffentlichkeit bekannt gemacht hatte den Rücktritt Brinkers der Pressesprecher der AfD-Fraktion, Thorsten Elsholtz. Elsholtz gilt als enger Vertrauter Pazderskis, eine Rücksprache oder gar Abstimmung der Erklärung mit Brinker erfolgte wie zuletzt bereits häufiger vorgekommen nicht. In der nach dem abrupten Ende der Fraktionssitzung versendeten Pressemitteilung – Brinker und ihre Mitstreiter verließen kommentarlos den Saal – ist von einem „erhärteten Verdacht“ die Rede.

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Demzufolge habe Brinker von der vermeintlichen Manipulation eines im Frühjahr erstellten Wirtschaftsgutachtens zu den Fraktionsfinanzen gewusst. Pazderski erklärte, er sei „zutiefst erschüttert“ über angebliche Vorfälle, die sich „monatelang im Verborgenen abgespielt haben“ sollen. Er rief die Fraktion zur Geschlossenheit auf und mahnte an, sich ab sofort „ausschließlich auf die politische Sacharbeit“ zu konzentrieren.

Mit sich selbst statt dem Senat beschäftigt

Kaum vorstellbar, dass das gelingt. Zu groß sind die Vorbehalte im Lager der Fraktionsmitglieder, die Pazderski bereits Mitte Juli attackiert und dessen rigide Personalpolitik kritisiert hatten. Der AfD-Abgeordnete Gunnar Lindemann, einer von neun Unterzeichnern des Anfang August an die Öffentlichkeit lancierten Brandbriefes, kommentierte die Erklärung der Fraktionspressestelle vom Dienstagabend mit den Worten „Fake news und Lügen!“.

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Auch Brinker formulierte in ihrer am frühen Mittwochmorgen und in Reaktion auf die Fraktionsmitteilung verschickten Erklärung: „Wie unter den gegebenen Umständen für den Rest der Legislaturperiode eine konstruktive Oppositionsarbeit der AfD-Fraktion möglich sein soll, ist derzeit vollkommen unklar.“

Finanzprobleme könnten durch Rechnungshof-Prüfung geklärt werden

Absehbar dagegen ist, dass die neben Brinker und Pazderski auch den parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Frank-Christian Hansel, direkt betreffenden Auseinandersetzungen um die Fraktionsfinanzen fortgesetzt werden. Hansel soll sich erstens immer wieder in die Verwaltung der Fraktionsfinanzen eingeschaltet und dabei zweitens nicht immer korrekt gearbeitet zu haben.

Von „undurchsichtigen und offenkundig nicht revisionssicheren Finanzgebaren“ ist im Schreiben der auch in anderen Fraktionen respektierten Brinker die Rede. Hinter vorgehaltener Hand berichten Abgeordnete von fehlenden Leistungsnachweisen, unterlassener Angebotsakquise und nicht zertifizierter Software.

Eine Prüfung durch den Landesrechnungshof könne Klarheit bringen, heißt es weiter. Tatsächlich ist dieser aktuell mit der Prüfung des Wahljahres 2016 beschäftigt. Ob aktuelle Hinweise wie jene aus der AfD-Fraktion zu außerplanmäßigen Prüfungen führen könnten, blieb am Mittwoch unklar.

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Gut möglich wiederum ist, dass der Streit schon bald die Gerichte beschäftigt. Nachdem Hansel am Mittwochvormittag eine „Klarstellung“ auf Facebook veröffentlicht hatte und darin ausführlich darlegt, warum auch er von einer Manipulation des Gutachtens ausgehen müsse, erklärte Brinker, juristisch gegen die Vorwürfe vorgehen zu wollen.

Selbiges kündigte ein Vertreter des Hamburger Unternehmens an, das die Wirtschaftsprüfung durchgeführt hatte und von Hansel bezichtigt wurde, zusammen mit Einfinger eine „passende Fassung auszumauscheln“.

Um diese These und die mutmaßliche Manipulation in Gänze zu belegen, waren im Übrigen Dienstmails des entlassenen Fraktionsgeschäftsführers systematisch ausgewertet und Inhalte den Fraktionsmitgliedern am Dienstagabend ausführlich präsentiert worden. Rechtlich wohl zulässig, sorgte das Vorgehen dem Vernehmen nach für Entsetzen bei einzelnen Abgeordneten und große Verunsicherung in den Reihen der Mitarbeiter der Fraktion.

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