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Zeichen an der Wand. Trotz solcher martialischen Parolen an Kreuzberger Häuserwänden blieb der 1. Mai im Vorjahr ziemlich ruhig. Viele Indizien sprechen dafür, dass es in diesem Jahr ähnlich sein wird.

©  Kai-Uwe Heinrich

Ruhiger 1. Mai erwartet: Berliner Polizei: Autonome haben derzeit "keine Reibungsfläche"

Nach der Räumung des Oranienplatzes könnte Berlin am 1. Mai einen ruhigen Feiertag erleben. Aber die linke Szene weicht womöglich in andere Städte aus.

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Es könnte der fünfte ruhige 1. Mai in Folge werden. 2009 waren die Kreuzberger Maifestspiele letztmals eskaliert, als der linksautonome schwarze Block eine Gewaltorgie auf der „Revolutionären 1.-Mai-Demo“ entfachte. Danach kehrte relative Ruhe ein, 2012 überschrieb der Verfassungsschutz seine Lageanalyse zum 1. Mai mit „Autonome am Scheideweg“. Und 2013 gelang dem schwarzen Block rein gar nichts mehr: Die krawallträchtige Abenddemo endete mit 8000 Teilnehmern Unter den Linden in Mitte, und es passierte – nichts. Die Revolutionäre trollten sich und Innensenator Frank Henkel (CDU) stand Unter den Linden, rieb sich die Hände und gab gut gelaunt Interviews.

Nichts deutet derzeit darauf hin, dass es dieses Jahr anders sein wird.

Das einzige Thema, an dem sich politischer Streit hätte entzünden können, ist in der vergangenen Woche friedlich beendet worden. Die Zelte auf dem Oranienplatz wurden von den Flüchtlingen selbst geräumt, nicht von der Polizei. Dass dies der linken Szene nicht passte, haben Unterstützer auf dem Oranienplatz deutlich gezeigt. Bis zum vergangenen Dienstag galt es als unvorstellbar, dass so genannte Sympathisanten einmal Flüchtlinge angehen könnten, sogar körperlich.

Keine "Reibungsflächen" mehr

„In Berlin fehlt der Szene die Reibungsfläche“, sagte ein leitender Polizeibeamter: „In Hamburg sind das die Esso-Häuser, in Berlin gibt es nichts vergleichbares“. Das Tempelhofer Feld sei kein Reizthema für die radikalere Szene, der Oranienplatz auch nicht mehr. Anders hätte es ausgesehen, wenn kurz vor dem 1. Mai die Polizei die Flüchtlinge mit Wasserwerfern vom Oranienplatz getrieben hätte. Am Sonntag ignorierten Antifa-Gruppen eine Demo der Flüchtlinge vollständig – ein Indiz, dass das Thema nicht mehr zieht.

Begonnen hat die Mobilisierung zur „Revolutionären“ Demo am 1. Mai in Berlin noch nicht. In Hamburg – wo es wegen der geräumten Esso-Häuser und dem gefährdeten Szene-Objekt „Rote Flora“ im Dezember schwerste Ausschreitungen gab – ist die Szene weiter. Kenner erwarten, dass ein Teil der gewaltbereiten Szene aus Berlin deshalb nach Hamburg reist.

Trotz dieser Prognose und den ruhigen Vorjahren: Die Polizei tritt wieder in der alten Stärke an. Wie im Vorjahr werden es um die 7000 Polizisten sein. Und dass die Polizei mit großer Präsenz erfolgreich ist, hat sie vor drei Wochen bei der so genannten Antirepressionsdemo in Moabit gezeigt. Massiv war dazu in der linksextremistischen Szene mobilisiert und zu Gewalt aufgerufen worden. Es passierte – wiederum nichts.

In der Innenverwaltung wartet man ab, wohin sich die linke Szene bewegt, ob nach Hamburg oder nach Nordrhein-Westfalen. „Die Rechte“ plant eine am 1. Mai eine Demonstration in Dortmund, die NPD in Duisburg. In Berlin soll es am 1. Mai nur eine vergleichsweise kleine NPD-Demo in Neukölln geben.

"Myfest" als Gegenentwurf zu Krawall-Zügen

In Berlin werde man die erfolgreiche „Strategie der ausgestreckten Hand“ am 1. Mai weiterverfolgen, hieß es in der Innenverwaltung offiziell. Parallel dazu gilt die Taktik der schnellen Festnahme von Straftätern, mit robusten Körpereinsatz auch direkt aus der Demo heraus. Dieser Teil der Polizeitaktik wird allerdings weniger kommuniziert. Zum 12. Mal findet in SO36 das „Myfest“ statt, es war vom Bezirk erfunden worden, um den Autonomen die Bühne für den Krawall zu nehmen – eine Erfolgsgeschichte.

Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux hofft auf einen 1. Mai ohne Randale. „Da es letztes Jahr sehr friedlich war, kann man hoffen, dass es wieder so wird“, sagte Lux. Während der 18-Uhr-Demo sei aber mit Gewaltausbrüchen zu rechnen. Deshalb brauche man „ausreichend Polizei“.

Die Generalprobe für den 1. Mai dürfte in diesem Jahr nicht in der Walpurgisnacht, sondern am 26. April stattfinden. An dem Sonnabend will die NPD unter dem Motto „Kreuzberg muss befreit werden – Weg mit Multikulti, Kriminalität und Verslumung“ zwischen besetzter Schule, Görlitzer Park und Oranienplatz demonstrieren. „Massive Gegenproteste mit hohem Eskalationspotenzial“ erwartet Innen-Staatssekretär Bernd Krömer (CDU). Denn Nazidemos mobilisieren die Linken immer noch am meisten.

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