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Berlin: Rutschpartie

Das Glatteis auf Plätzen und Nebenstraßen bleibt – auch deshalb, weil an vielen Stellen nicht gestreut werden muss

So klare Auskünfte sind selten: „Es gibt keine Chance, das zu beheben“, heißt es bei der Berliner Stadtreinigung, wenn man sich nach den spiegelglatten Eisflächen und steinhart gefrorenen Schneehaufen auf Nebenstraßen, Plätzen, Geh- und Radwegen erkundigt. Was bei dem Kälteeinbruch vor zehn Tagen nicht beiseite geschoben war, bleibt liegen, bis es taut – womit vorerst nicht zu rechnen ist. Das Ausmaß des Problems ergibt sich nicht nur aus dem Dauerfrost, sondern auch aus schwer durchschaubaren Zuständigkeiten, Gesetzen und Ignoranz.

Die BSR muss befestigte Nebenstraßen – nach Erledigung der Hauptstraßen – zwar räumen, aber sie darf sie weder durchgängig streuen noch salzen. Behandelt werden müssen nur „besondere Gefahrenstellen“ wie Berge. In der Regel gilt für den Glatteispanzer in den Außenbezirken also: mit dem Auto langsam fahren und mit dem Rad am besten erst im Frühjahr wieder. „Wir sind froh, dass wir vor dem Kälteeinbruch die Hauptstraßen frei und trocken gekriegt haben“, sagt BSR-Sprecherin Sabine Thümler.

Für Gehwege sind in aller Regel die Anlieger oder von ihnen beauftragte Firmen zuständig. Die streuen mal so, mal so und manchmal gar nicht. Laut einem BGH-Urteil ist die Kontrolle eine hoheitliche Pflicht, was für Berlin bedeutet, dass die Ordnungsämter der Bezirke einschreiten müssen. In ganz Mitte sei oft nur ein einziges Zweierteam unterwegs, berichtet Amtsleiter Harald Strehlow. Von 28 Stellen seien nur 21 besetzt. Bis gestern hätten seine Leute 90 Streu-Muffel registriert; 29 davon nach Hinweisen von Bürgern. Bußgelder würden selten erhoben; meist werde der Verantwortliche zum Streuen veranlasst. Dazu muss er allerdings ermittelt werden – „da ist schnell mal eine Stunde weg“. In Extremfällen hätten seine Mitarbeiter auch selbst gestreut oder die BSR geholt, so Strehlow. Eigentümer, vor deren Grundstücken jemand stürzt, müssen mit Schadensersatzforderungen rechnen, wenn sie nicht regelmäßig gestreut haben. In Einzelfällen können sich Anlieger von dieser Pflicht befreien lassen – etwa, wenn sie eine steile Treppe selbst nicht gefahrlos streuen können und keine Fußgänger gefährdet sind. Wobei Letzteres nach Angaben eines Verwaltungsmitarbeiters in Berlin oft allzu großzügig definiert wird.

Für die meisten Parks samt der angrenzenden Gehwege sind nach Auskunft der BSR die Bezirke verantwortlich, aber streuen (lassen) müssen sie die Parks laut Berliner Grünanlagengesetz nicht. Frei bleiben müssen nur wichtige Querungen für Fußgänger. Viele Wege sind also unbenutzbar – und prophylaktisch mit einem Schild „Betreten bei Schnee und Glätte auf eigene Gefahr“ versehen. Bei befestigten Plätzen und Fußgängerzonen hängen die Regeln von der amtlichen Einordnung der Fläche ab; komplett vom Eis befreit werden müssen sie jedenfalls nicht.

Klarer ist der Fall bei Radwegen: Wo eine Maschine fahren kann, müssen sie geräumt werden, Schneehaufen dürfen ausdrücklich nicht darauf geschoben werden. Dagegen verstößt auch die BSR allenthalben – auch wenn sie selbst von „Ausnahmefällen“ spricht. Berlins Fahrradbeauftragter Benno Koch berichtet von rund 100 „sehr konkreten Beschwerden“ in den letzten Tagen.

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