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© Thilo Rückeis

Rykestraße: Synagoge der Superlative

Das schönste und größte jüdische Gotteshaus Deutschlands in der Rykestraße ist saniert. Ab dem 31. August steht das Haus den Berlinern wieder offen.

Mit verzerrtem Gesicht greift Kay Zareh ins morsche Gebälk hinter der Synagoge an der Rykestraße. „Das ist so nass, damit können sie eine Suppe kochen“, sagt der Architekt. Gerne hätte er auch den grün gestrichenen Holzbau neu in Schuss gebracht, in der die Juden im Herbst das Laubhüttenfest feiern. Doch dafür reichte das Geld nicht mehr. Immerhin können Besucher beim Rundgang ums Gebäude so noch einige Spuren des jahrzehntelangen Verfalls entdecken.

Vor diesem Kontrast glänzt der frisch restaurierte Innenraum umso mehr. Die Stiftung Deutsche Klassenlotterie stellte der jüdischen Gemeinde für die Baumaßnahme nach eigenen Angaben 2,7 Millionen Euro bereit. Für die 2003 abgeschlossene Sanierung der Fassade hatte der Senat 2,3 Millionen Euro bewilligt.

Das Sonnenlicht flutet jetzt durch bunte Rosettenfenster in den Raum. Hell gestrichene Wände, Säulen aus Sandstein und neue Gebetsstühle aus Kiefernholz vertreiben die Düsternis. Unter dunkelblauem Himmelsgewölbe erstrahlen im Altarraum prächtige Leuchter und verschlungene Ornamente in kräftigen Farben. „Früher war hier alles trist und grau“, sagt Peter Sauerbaum, Kulturdezernent der jüdischen Gemeinde. „Jetzt ist es die schönste Synagoge Deutschlands.“

Das ist bereits der zweite Superlativ: Die Synagoge an der Rykestraße ist die größte Deutschlands. Das bleibt auch so, obwohl der Betraum an der Rykestraße trotz breiterer Fluchtwege nur noch 1200 statt 2000 Menschen Platz bietet. Zum Vergleich: In der im März eröffneten neuen Hauptsynagoge in München gibt es nur gut 500 Sitzplätze.

Ab dem 31. August steht das Haus den Berlinern wieder offen. Bis 9. September ist die Basilika während der Jüdischen Kulturtage Schauplatz von Konzerten und Lesungen. Zum Sabbat-Gottesdienst am letzten Augusttag um 19 Uhr lädt die Gemeinde ausdrücklich Menschen aller Glaubensrichtungen ein. Um 11 Uhr bringen Rabbiner und Kantoren die Thorarollen zurück in den Betraum und weihen die Synagoge neu ein. Zu diesem Anlass haben sich besondere Gäste angekündigt: Eine 84-jährige Frau aus Israel, die als Mädchen an der Rykestraße betete, kehrt erstmals nach 72 Jahren zurück. Auch der 92 Jahre alte ehemalige Rabbiner Leo Trepp will aus Mainz anreisen.

Bis dahin arbeiten die Handwerker am letzten Schliff. Direkt unter dem Deckengewölbe baut Simon Baier 500 Pfeifen wieder zu einer Orgel zusammen. Vor dem Altar schärft Gunther Stern mit einem Skalpell das Profil der steinernen Bima. Später wird er das Lesepult noch mit Goldfarbe verzieren.

Wie das 1903/04 von Johann Hoeniger entworfene Bauwerk einmal aussah, dokumentieren lediglich drei alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Auf dieser Grundlage stellten die Architekten Ruth Golan und Kay Zareh den Originalzustand so weit wie möglich wieder her. Allein den Schwamm zu beseitigen, habe Monate gedauert, berichtet Zareh: „Danach haben wie die scheußlich dunkle Bestuhlung entfernt.“ Auch Anstriche etwa in Ochsenblutfarbe quälten das Auge der Architekten. Sie zogen hellere Töne vor.

Auch das ursprüngliche Blau des Sternenhimmels würde zu hell wirken, befindet Golan. Sie deutet auf die jetzt zurückhaltende Bemalung an den Rändern des Gewölbes: „Das sah richtig papageiisch aus, viel zu grell.“ Den Architekten mangelt es nicht an Ideen, die Synagoge weiter zu verschönern. An der Decke über dem Eingang etwa fanden sie einen rötlichen Bortenrand. Dieses Muster wiederherzustellen, hätte indes das Budget gesprengt. Auch echtes Gold für die Sterne im Gewölbe war zu teuer. Vielleicht kommt demnächst wenigstens die Laubhütte hinter dem Gebäude an die Reihe.

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