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Zu gelb, um wahr zu sein. Solche S-Bahnen sind nicht in Sicht. Foto: ddp/Montage: Lobers

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S-Bahn-Ausschreibung: Die BVG will nicht S-Bahn fahren

Nein, S-Bahn fahren möchte die BVG auch in Zukunft nicht. Damit hatten zwar Teile der SPD geliebäugelt, doch das landeseigene Unternehmen sieht sich nicht in der Lage, den maroden Betrieb zu übernehmen.

Die BVG sagt Nein: Das Unternehmen könne den Betrieb der S-Bahn nicht übernehmen, sagt Sprecherin Petra Reetz. Mit einer Vergabe an die BVG oder an ein neu zu gründendes kommunales Unternehmen liebäugelt ein Teil der SPD-Fraktion, falls die derzeit laufende Ausschreibung für den Ring und dessen Zulaufstrecken im Südosten scheitern sollte. Auch die Linken wollen, dass ein landeseigenes Unternehmen die S-Bahn lenkt. Doch laut Reetz fehlen der BVG die nötigen Fachleute und damit das Know-how für den S-Bahn-Betrieb. Schon jetzt arbeite die BVG an ihrer Leistungsgrenze.

Die Senatsverkehrsverwaltung muss die Ausschreibungsbedingungen bis Ende Februar nach einer Vorgabe des Kammergerichts nachbessern, wenn ein Gang zum Europäischen Gerichtshof vermieden werden soll. Das Verfahren dort würde mehrere Jahre dauern; der Verkehrsvertrag mit der S-Bahn läuft aber im Dezember 2017 aus. Für den Fall, dass die Ausschreibung schiefgeht, wolle man gewappnet sein, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Torsten Schneider. Vorstellungen, wie eine Direktvergabe an die BVG oder ein neues kommunales Unternehmen funktionieren könnte, gibt es detailliert noch nicht. Dies soll, wie berichtet, eine Arbeitsgruppe ausloten.

Bisher hat die Bahn jede Ausschreibung für ein S-Bahn-Netz in Deutschland gewonnen – oder war am Schluss der einzige Bewerber, so dass es gar keine Auswahl geben konnte. Auch in Hamburg verhandelt der Senat derzeit nur mit der Deutschen Bahn über die Fortsetzung des ebenfalls 2017 auslaufenden Verkehrsvertrags. Um hier für ein Scheitern gewappnet zu sein, hat der Senat über den landeseigenen Hochbahnbetrieb bereits eine Schienenfahrzeuggesellschaft gegründet, die Züge dann selbst beschaffen und einem externen Betreiber überlassen soll. In Berlin will der Senat dagegen, dass der künftige Betreiber die Fahrzeuge selbst beschafft und finanziert.

Die hochverschuldete BVG hat aber schon heute Probleme beim Kauf neuer Fahrzeuge und ist hier auf die Hilfe des Senats angewiesen, der auch die derzeit laufende Bestellung neuer Straßen- und U-Bahnen finanziert. Allerdings verwendet er dazu auch die der S-Bahn abgezogenen Gelder wegen der seit 2009 nicht erbrachten vertraglich vereinbarten Leistungen. Zuvor waren damit andere Projekte, etwa der Einbau von Aufzügen auf U-Bahnhöfen, bezahlt worden.

Ein neuer Betreiber muss aber nicht nur neue Fahrzeuge beschaffen, sondern auch neue Mitarbeiter anheuern. Bei bisherigen Ausschreibungen im Regionalverkehr der Bahn ist dies auch gelungen. Allerdings waren die Anforderungen dabei auch meist geringer als jetzt bei der S-Bahn, deren Netz immerhin 330 Kilometer lang ist und die rund 3000 Mitarbeiter beschäftigt.

Sollte die S-Bahn den Auftrag verlieren, könnten die Mitarbeiter nicht gezwungen werden, zum neuen Betreiber zu wechseln. Vor allem Triebfahrzeugführer könnten zum Bahn-Konzern abwandern, der ebenfalls verzweifelt Fahrpersonal sucht. Anders sieht es bei den auf die S-Bahn-Fahrzeuge spezialisierten Werkstätten aus. Sie könnten unter Regie der Bahn weiter im Auftrag des neuen Betreibers dessen Fahrzeuge warten oder auch zu ihm wechseln, falls dieser die Werkstätten selbst führen sollte. Die Ausschreibungsbedingungen der Verkehrsverwaltung sahen vor, dass der künftige Betreiber des Rings dort einen Vertrag für 15 Jahre erhält. Sollte er danach eine erneute Ausschreibung verlieren, hätte er für den Nachfolger weitere 15 Jahre die Fahrzeuge pflegen müssen. Dagegen hatte die Bahn vor dem Kammergericht geklagt.

Unabhängig könnte ein neuer Betreiber auf keinen Fall agieren, denn der Bahn-Konzern behält auf jeden Fall die Hoheit über die Bahnhöfe, die Gleisanlagen und die Stellwerke, für deren Nutzung Gebühren anfallen. Und hier könnte die Bahn ihre Konkurrenten erheblich drangsalieren. Dass es ein landeseigenes Unternehmen nicht einfacher haben muss als jetzt die S-Bahn, zeigt ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Wikom, die, wie am Montag berichtet, im Jahr 2003 im Auftrag der Senatsfinanzverwaltung das „Einsparpotenzial“ der S-Bahn ermittelt hat – mit Vorschlägen, die später von der S-Bahn umgesetzt wurden und in die Krise führten. Die Grünen forderten am Dienstag den Senat auf, die Analyse zu veröffentlichen.

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