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S-Bahn in Berlin: Die Stadt wächst, doch der Fahrplan könnte schrumpfen

Weil nur noch die Deutsche Bahn an der Ausschreibung des Senats für die S-Bahn teilnimmt, drohen Kürzungen des Angebots. Der geforderte Preis ist für Berlin zu hoch. Der Verband Pro Bahn kritisiert das Ausschreibeverfahren.

Eine wachsende Stadt – und auf der anderen Seite eine schrumpfende S-Bahn: Auf dieses Szenario steuert das Land wegen der missglückten Ausschreibung für den Betrieb auf dem Ring zu. Weil der von der S-Bahn geforderte Preis nach Tagesspiegel-Informationen rund 50 Prozent über der jetzigen Zuschusshöhe von rund 250 Millionen Euro liegt, müsste ein Teil der bisherigen Fahrten aufgegeben werden, wenn das Geld nicht woanders aufgetrieben werden kann.

Ein Krisengespräch in der vergangenen Woche hat nach Angaben eines Insiders, der nicht genannt werden will, das Problem nicht gelöst. Bleibt es beim verlangten Preis, könnte etwa ein Drittel des bisherigen Angebots entfallen. Der Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung. Martin Pallgen, sagte dem Tagesspiegel, ein laufendes Verfahren mit Verschwiegenheitspflicht aller Beteiligten könne er nicht kommentieren.

Der Verband Pro Bahn Berlin-Brandenburg fordert, das Ausschreibungsverfahren zu stoppen und unter geänderten Prämissen neu zu starten. Die Ausschreibung sei eine „Totgeburt“ gewesen, sagte der Pro-Bahn-Landesvorsitzende Dieter Doege dem Tagesspiegel. Nach seiner Ansicht ist das Verfahren missglückt, weil der Senat den Betrieb und den Kauf neuer Züge gemeinsam ausgeschrieben hat. Die Fahrzeuge sollen 30 Jahre in Betrieb bleiben, der künftige Betreiber erhält aber nur einen Vertrag für 15 Jahre.

Andere Bewerber sind abgesprungen

Weil der Senat zudem detaillierte Vorgaben für die neuen Züge gemacht hat, sind die Bewerber der Reihe nach abgesprungen. Am Ende blieb nur die Deutsche Bahn im Rennen.

Doege fordert das Land auf, die neuen Züge selbst zu beschaffen und sie dann an den Betreiber zu vermieten. Dieses Modell praktiziert Niedersachsen seit Jahren, und auch in Nordrhein-Westfalen setzt man, wie berichtet, beim künftigen Städteschnellverkehr RRX darauf.„Dabei kann man nichts falsch machen“, so ist auch der Vorsitzende des Fahrgastverbandes Igeb, Christfried Tschepe, überzeugt.

Beim RRX holen sich die Auftraggeber das meiste Geld über zinsgünstige Kredite; die Betreiber zahlen es dann über die Miete zurück. Auch die Opposition in Berlin hatte vor der Ausschreibung einen solchen Fahrzeugpool beim Land gefordert. Die Linke-Abgeordnete Jutta Matuschek schlug vor, über Alternativen bei der Fahrzeugfinanzierung nachzudenken, die den Preis drücken könnten.

200 Wagen für rund 900 Millionen Euro

Nach Tagesspiegel-Informationen wollten auch die Planer der Senatsverkehrsverwaltung einen landeseigenen Fuhrpark haben, wurden dann aber vom damaligen Senat unter Klaus Wowereit gebremst.

Die für den Betrieb auf dem Ring benötigten knapp 200 Wagen sollen rund 900 Millionen Euro kosten. Diese Summe können Bahn-Konkurrenten nur selten selbst finanzieren und fallen deshalb auch als Kandidaten für den Betrieb weg. Würden die Züge vom Land beschafft, gäbe es auch mehr Wettbewerb für den Betrieb, sagte Doege. Um den RRX hatten sich nach Tagesspiegel–Informationen etwa zehn Unternehmen beworben. Den Zuschlag für verschiedene Linien erhielten das Tochterunternehmen der niederländischen Staatsbahn, Abellio, sowie National Express aus Großbritannien.

Paradox: Sollte es wegen des geforderten hohen Preises zu Einschränkungen – und damit zu überfüllten Zügen – kommen, bekäme wohl die S-Bahn mehr Geld, aber auch den Ärger der Fahrgäste ab. Ohne Änderung der Ausschreibungsbedingungen, was im laufenden Verfahren nicht möglich ist, ändert sich am Preis jedoch wahrscheinlich nichts mehr.

Tschepe hofft, dass der Senat zumindest bei künftigen Ausschreibungen landeseigene Fahrzeuge vorsieht. „Man muss den Fehler nicht zwei Mal wiederholen“, sagte er. In den kommenden Jahren werden auch die Ost-West-Strecken sowie die Nord-Süd-Verbindungen ausgeschrieben, was nach EU-Recht erforderlich ist.

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