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Berlin: S-Bahn rechnete mit der Kündigung des Senats

Geschäftsbericht enthüllt: Land schickte zwei Abmahnungen, verzichtete aber auf den entscheidenden Schritt

Der Senat hat die S-Bahn nach dem Beginn ihrer Krise mehr geschont, als das Unternehmen selbst befürchtet hatte. Die S-Bahn war schon auf eine Vertragskündigung durch das Land vorbereitet, die dann aber von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) Anfang des Jahres ausgeschlossen worden war. Zudem rechnete die S-Bahn damit, dass der Senat den Betrieb nach 2017 komplett ausschreiben würde. Auch darauf hat das Land jedoch verzichtet. Die Drohgebärde habe ausgereicht, um die S-Bahn dazu zu bewegen, den bestehenden Vertrag zugunsten des Landes nachzubessern, sagte der Sprecher der Stadtentwicklungsverwaltung, Mathias Gille. Eine Kündigung hätte dagegen zu einem langwierigen juristischen Streit geführt.

Im jetzt veröffentlichten Geschäftsbericht der S-Bahn für das Jahr 2009 heißt es dazu, es habe das Risiko einer außerordentlichen Kündigung des Verkehrsvertrages durch den Besteller bestanden. Der Senat habe mit zwei Abmahnungsschreiben die juristische Voraussetzung für eine solche Kündigung gelegt, dann aber in einer Presseerklärung vom 7. Januar 2010 eine Kündigung des laufenden Verkehrsvertrages „explizit ausgeschlossen“.

Um nach einer Vertragskündigung, die auch von der Opposition gefordert worden war, den Betrieb aufrecht erhalten zu können, hätte der Senat die S-Bahn zwingen müssen, weiterzufahren – zu womöglich höheren Kosten, die die S-Bahn dann geltend machen könnte, befürchtete man beim Senat. Eine Kündigung hätte den Druck auf die S-Bahn entscheidend erhöht, ist Engelbert Recker vom Interessenverband Mofair, zu dem sich Wettbewerber der Bahn zusammengeschlossen haben, überzeugt. Nach den enormen Zugausfällen, die es bis heute gibt, hätte es sich das Unternehmen gar nicht leisten können, nach einer Vertragskündigung höhere Preise als zuvor zu verlangen. Hier habe der Senat eine Chance vertan.

Mofair setzt sich auch dafür ein, das gesamte Netz der S-Bahn für den Betrieb nach dem Jahr 2017 auszuschreiben. Der Senat hält dies für nicht möglich, weil dann mehr als 1200 Wagen angeschafft werden müssten. Die Industrie könne bis dahin aber nur knapp 200 liefern. Die Bahn sieht das anders, denn im Geschäftsbericht hat sie sich auch auf eine Komplettausschreibung vorbereitet, weil dann ihre tausend Wagen der Baureihe 481 nicht bis zum Ende ihrer vorgesehenen Nutzungsdauer eingesetzt werden könnten. „Sollte das Gesamtnetz ab 2017 komplett ausgeschrieben und nur mit Neufahrzeugen bedient werden dürfen, muss die Restnutzungsdauer aller betroffenen Fahrzeuge der Baureihe 481 bis zum Jahr 2017 reduziert werden“, heißt es bei den Risikoaussichten im Geschäftsbericht.

Weil der Senat aber bei einer Ausschreibung nur höchstens ein Drittel des Netzes vergeben will, kann die S-Bahn sicher sein, dass sie auf den anderen Strecken weiter fahren darf und dafür Millionenzuschüsse vom Senat erhalten wird. Ob überhaupt ausgeschrieben wird, will der Senat bis Jahresende entscheiden.

Einnahmen aus dem S-Bahn-Betrieb bleiben dem Bahnkonzern aber auf jeden Fall erhalten. Für die Benutzung der Gleise und Bahnhöfe kassierte der Konzern im vergangenen Jahr rund 250 Millionen Euro, drei Millionen Euro mehr als 2008, obwohl der Verkehr 2009 erheblich eingeschränkt war. Diese Gebühren müssten alle Betreiber des Netzes zahlen.

Der Geschäftsbericht der S-Bahn weist für das vergangene Jahr einen Verlust in Höhe von 92,875 Millionen Euro aus; nach einem Gewinn in Höhe von 56,288 Millionen Euro im Vorjahr. Dazu trägt wesentlich bei, dass das Unternehmen die Rückstellungen in der Bilanz von 70 Millionen Euro auf 156 Millionen Euro erhöht hat. Allein 70,5 Millionen Euro der Rückstellungen sind für „technische Risiken“ und 23,6 Millionen Euro für weitere Entschädigungen für die Fahrgäste vorgesehen. Zurückgegangen sind die Repräsentations- und Reisekosten – von 1,15 Millionen Euro auf 0,9 Millionen Euro.

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