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S-Bahn-Unglück in Tegel: Wenige Meter an der Katastrophe vorbei

Die S-Bahn entgleiste unweit eines Wohngebiets in Tegel. Jetzt untersucht die Bundespolizei die Unglücksstelle. Und die Anwohner spekulieren: Hat ein Blitzeinschlag am Vortag die Weiche beschädigt?

Die S-Bahn steht schief neben dem Gleis, überall liegt Schotter herum, die Schienen sind so stark verbogen als seien sie aus Leichtmetall. Fassungslos starren die Anwohner auf die Zerstörung gleich hinter dem S-Bahnhof Tegel. „Zum Glück liegt die Unglücksstelle in einem Gebiet ohne Anwohner“, sagte Gerda Hohler, eine Nachbarin aus dem Bahnhofsviertel. „Es wäre nicht auszudenken gewesen, wenn der Zug nur 200 Meter früher entgleist gewesen wäre.“ Und so kann die S-Bahn von Glück im Unglück reden an diesem Dienstagmittag. Nach Angaben der Feuerwehr wurden bei dem seit Jahren schwersten Bahnunglück in Berlin nur sechs Menschen leicht verletzt. Ursache war vermutlich ein Weichenfehler. Bereits am 1. Mai 2009 hatten Fahrgäste Glück, als sie bei einem Radbruch an einem Zug die folgende Entgleisung bei Kaulsdorf unverletzt überstanden.

Der aktuelle Unglücksort in Tegel befindet sich gleich hinter der Gorkistraße in einem freien Gelände, das als Parkplatz genutzt wird. Neben der S-Bahn-Strecke verläuft ein Industriegleis. „Da fuhren bis vor einigen Jahrzehnten noch Güterzüge zum und vom Hafen“, berichtete ein älterer Mann. Auf dieses nicht mehr genutzte Gleis stürzten gegen 11.45 Uhr die Waggons. Auch die Bahn sprach schnell von einem Weichenfehler.

Die Unfallstelle liegt im Norden Berlins.
Die Unfallstelle liegt im Norden Berlins.

© Tagesspiegel

Der Zug hatte mit den ersten Wagen die Weiche bereits passiert, als die folgenden Wagen bei voller Fahrt durch ein Umspringen auf ein abzweigendes Gleis geführt wurden. So fuhr der aus sechs Wagen bestehende Zug zunächst auf zwei verschiedenen Gleisen – bis die Wagen entgleisten. Unter den zahlreichen Schaulustigen am gesperrten Bahnübergang über der Gorkistraße machte vor allem ein Gedanke immer wieder die Runde. „Am Montag gegen 16 Uhr hat es hier einen Riesenknall gegeben“, sagte Werner Albermann. „Da ist wohl der Blitz in die Bahnanlagen eingeschlagen.“ Dieses Ereignis bestätigt auch der Wirt des direkt an der Bahnüberführung gelegenen Restaurants „Zugpferd“, Thomas Kühn. „So einen Krach habe ich lange Zeit nicht erlebt. Kurz nach dem Blitzeinschlag wurde die Strecke kurzzeitig gesperrt“, erzählte er. „Es fuhren Busse im Ersatzverkehr, der dann aber wieder eingestellt wurde.“

Video: S-Bahn entgleist

Schon in der Nacht hätten Techniker der Firma Siemens mit Reparaturarbeiten an der Weiche hinter dem Bahnübergang begonnen. Den ganzen Tag seien Monteure hier im Einsatz gewesen. „Die Firmenautos parkten ja genau vor meiner Tür“, sagte Thomas Kühn. Ob die Monteure auch an der Weiche arbeiteten, müssen nun die Ermittler klären. Einen Zusammenhang zwischen dem Blitzschlag, den Reparaturarbeiten und dem Unglück schließt auch die Bundespolizei nicht aus. „Nach den beiden ersten Waggons stellte sich die Weiche plötzlich um, so dass der Zug aus dem Gleis sprang“, sagte Polizeisprecher Meik Gauer.

Sehen Sie hier ein weiteres Video vom Unglücksort:

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Die nach dem Mauerbau 1961 unterbrochene Strecke von Tegel nach Hennigsdorf war Ende 1998 wieder in Betrieb genommen worden. Der Aufbau erfolgte in vielen Bereichen provisorisch, weil später eine grundlegende Sanierung erfolgen sollte. Zum großen Teil ist sie inzwischen erfolgt. Ob dazu auch der Bereich der Unfallstelle gehört, war von der Bahn am Dienstag nicht zu erfahren. Bis die Bahn wieder auf die Strecke zwischen Hennigsdorf und Stadtmitte kann, dürften noch Tage vergehen. Sämtliche Waggons lagen noch am Abend neben dem Gleis. „Zuerst müssen Fachleute vom Eisenbahnbundesamt den gesamten Ort genau vermessen und fotografieren“, berichtete der Sprecher der Bundespolizei, Meik Gauer. „Erst danach übergeben wir das Gelände wieder der Deutschen Bahn.“ Diese wollte noch am Abend größere Kräne bestellen, um die verunglückten Waggons aus dem Gleis zu heben. Anschließend muss die Strecke repariert werden.

Am Bahndamm, gleich neben einem Supermarkt, parkten die vielen Rettungswagen. Über eine längere Zeit kreisten am Nachmittag Hubschrauber über den Gleisen. Die Bundespolizei ließ Fotos anfertigen. Am Boden kreisten unterdessen schon die ersten Fotos vom Unglücksort. Ein Mädchen hatte sie mit ihrer Kamera gemacht und mit Hilfe ihrer Großmutter im nahen Fotogeschäft entwickeln und drucken lassen: „Ich habe gleich mehrere Mappen gefüllt und die Bilder vor allem den Polizisten gegeben.“

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