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Berlin: Saatkörner und die Freude am Fremden

Goldene Konfirmation in der evangelischen Osterkirche in Wedding

„Ist der Palmsonntag ein heiterer Tag, für den Sommer ein gutes Zeichen sein mag“, besagt eine Bauernregel. Aber nicht deshalb herrschte gestern in der evangelischen Osterkirche in Wedding fröhliche Stimmung. In Windeseile hatte man darin nach dem Sonntagsgottesdienst frühlingshaft mit gelben Primeln geschmückte Tafeln aufgebaut, an denen die Ostergemeinde ein besonderes Jubiläum feierte – die Goldene Konfirmation einiger ihrer Mitglieder.

Etwa 30 Jubilare von einst 317 Jugendlichen, die 1957 konfirmiert worden waren, hatten sich gestern in dem Weddinger Gotteshaus mitten im Sprengelkiez zusammengefunden. Bevor sie sich dort in heiterer Runde an frühere Zeiten erinnerten, wozu kulinarisch der Kiez-Kneipier Ernst Voß aus der Sprengelstraße nicht zum ersten Mal in der Osterkirche auftafelte, hatte sie Superintendent Eberhard Gutjahr als einer ihrer Mitkonfirmanden zum Gottesdienst begrüßt.

Zur besten bundesdeutschen Wirtschaftswunderzeit hatten die Weddinger Mädchen und Jungen 1957 in der OsterKirche mit der Konfirmation nochmals persönlich ihre Taufe bestätigt und sich damit bewusst zum christlichen Glauben bekannt. Dass man hier trotz allem noch immer im Wohlstand und Frieden lebe, sprach Pfarrer Martin Kirchner gestern auf der Kanzel aus und hoffte, dass sich die Jubilare viele wunderbare Dinge aus ihrem Leben der vergangenen 50 Jahre zu erzählen hätten, zu dem sie 1957 als Christen gemeinsam ausgezogen waren.

„Ich erzähle ihnen eine Geschichte, die ich Ihnen auch vor 50 Jahren hätte erzählen können“, begann er die Predigt. „Es ist die Geschichte von dem Laden, an dem ein Schild verspricht, dass man hier alles bekommen kann. Umsonst.“ Viele Wünsche habe da einer dem Kaufmann gegenüber geäußert – Brot für die Welt, Frieden, Gerechtigkeit, Arbeit für alle, dass Kinder und Alte nicht mehr überfallen oder beraubt würden, die Umwelt nicht zerstört werde, es keinen familiären Streit gebe. Schier endlos sei die Wunschliste gewesen – und was bekam der Kunde: Ein Säckchen mit Samenkörnern. Alles, was sich der Kunde wünschte, erklärte der Kaufmann, sei in diesen Samenkörnern enthalten. Man müsse nur dafür sorgen, dass sie treiben und sich entfalten.

So ist es auch im Laden Gottes, sagte gestern der Pfarrer. Die Samenkörner seien Bilder für all die Möglichkeiten, die Gott in jeden Einzelnen hineingesteckt habe, und Talente und Fähigkeiten seien Geschenke Gottes. Durch Teilen und Weitergeben entfalteten sie ihre Kostbarkeiten erst da, wo Menschen miteinander leben. So wie im Sprengelkiez, der sich in den vergangenen 50 Jahren verändert habe. Um die Osterkirche könne man heute mit der Nase eine kleine Weltreise unternehmen – Düfte von Obst, Gewürzen und Speisen kündeten, dass hier Menschen aller Herren Länder heimisch wurden. Das nicht als bedrohlich, sondern als bereichernd zu empfinden, sei ein Geschenk Gottes. Die bunter gewordene Ostergemeinde versuche das zu leben, sagte Martin Kirchner und wünschte den Goldenen Konfirmanden, dass sie Menschen begegnen, die es gut mit ihnen meinen und dass sie selbst für andere auch Menschen sind, mit denen es einem gut geht. „Gib uns Freude, andere kennenzulernen“, bat die Gemeinde Gott, „zu erkennen, wo wir gebraucht werden.“ hema

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