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Berlin: Sag’s mit Porzellan: Ein beziehungsreiches Geschenk

Wowereit verehrt Lettlands Präsidentin das Tafelservice Kurland

Auf seiner Baltikumreise in dieser Woche verehrt der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit der Präsidentin der Republik Lettland Vaira Vike-Freiberga ein Gastgeschenk, das von hohem Symbolgehalt sowohl für Berlin als auch für Lettland ist. Es handelt sich um das Tafelservice Kurland, das von der Königlichen Porzellan Manufaktur um 1790 in Berlin entworfen worden war.

Dass Wowereit ein solch beziehungsreiches Geschenk übergeben kann, verdankt er einem Zufall. Der ehemalige Leiter des Forschungsreferats beim Wissenschaftssenator, Jochen Stoehr, hatte im August vorigen Jahres eine Baltikumreise gemacht und traf in einer abgelegenen Gegend auf das gerade wiederhergestellte Prunkschloss Rundale. Dort entdeckte er in einer Vitrine spärliche Reste jenes Kurland-Services, das einst für den Herzog von Kurland, Ernst Johann Biron, nach einer Silbervorlage gefertigt worden war. Der Herzog von Kurland hatte den Bau des Schlosses Rundale in Auftrag gegeben. Und da Biron ein Favorit der Zarin war, konnte er für den Entwurf und die Ausführung des Schlosses keinen Geringeren als den Architekten des Winterpalais in St. Petersburg, Bartolomeo Rastrelli, gewinnen.

Der Herzog von Kurland ist auch mit der Geschichte Berlins verbunden: Nach seinem Rücktritt hatte er zeitweilig im Schloss Friedrichsfelde gewohnt, wo das Gastgeschenk Klaus Wowereits vor seiner Baltikumreise vorgestellt wurde. Im Jahr 1790 bedeutete der Auftrag, ein Tafelservice herzustellen, für die Königliche Porzellan Manufaktur zugleich den Aufbruch zu einem neuen Stil: dem Klassizismus, der das bis dahin vorherrschende Dekor des Rokoko ablöste. So ist das Kurland-Service mit für den Klassizismus charakteristischen Perlstab-Friesen und Tuchgehängen versehen. Außerdem bedeutet es die Hinwendung in der Porzellanmalerei zur Darstellung einfacher Feldblumen statt exotischer Prunkblüten.

Das Schloss Rundale ist mit der deutsch-russischen Geschichte auch auf andere Weise verbunden. Im Ersten Weltkrieg hatte die deutsche Armee in Rundale ein Hospital und eine Kommandantur eingerichtet. In den Revolutionswirren wurde das Schloss von den Kommunisten verwüstet und diente danach als Elementarschule. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Säle des Schlosses als Kornkammern zweckentfremdet.

Erst 1972 begann die Restaurierung, die heute nach der Selbstständigkeit der baltischen Staaten kurz vor dem Abschluss steht. Das so beziehungsreiche Gastgeschenk, das Klaus Wowereit übergibt, ist einer gemeinsamen Spende der Berliner Investitionsbank und der Porzellan Manufaktur zu verdanken. Auch bei der Sponsorensuche hatte der Spiritus rector Jochen Stoehr seine Hand im Spiel.

Uwe Schlicht

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