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Grün-Rot-Weiß. Im Stadion an der Alten Försterei geht es ab sofort wieder rund.

© picture alliance / dpa

Saisonstart an der Alten Försterei: Ein Union-Fan freut sich: Endlich wieder pfeifen im Walde

Im Stadion An der Alten Försterei laufen sie ab heute wieder: Der 1. FC Union startet in die Saison. Hier freut sich ein jahrzehntelanger Fan, dass es endlich wieder losgeht mit dem Fußball in Köpenick.

Die Ruhe im Köpenicker Forst ist dahin, jetzt beginnt das Pfeifen im Walde. Das gemütliche Vorstadtleben im aufstrebenden Ort des Hauptmanns von anno dunnemals geht ab heute wieder alle 14 Tage den Bach bzw. die Wuhle runter: Old Köpenick im Ausnahmezustand. Die neue Fußballsaison beginnt. Union spielt. Gegen Fortuna Düsseldorf. Egal. Sie stürmen wieder, ganz nach vorn. Die aufgestaute Leidenschaft der Fans – das letzte Punktspiel liegt acht Wochen zurück – wird sich in einem akustischen Tornado an der Alten Försterei entladen. Und: Die Union-Familie trifft sich endlich wieder, vom S-Bahnhof bis zum Stadion erzittert der Wald vor Wiedersehensfreude: Mensch, jut, dette ooch da bist.

Die lange Abstinenz von der Jagd um Tore und Punkte, die neuen Gesichter in der Mannschaft und das Versprechen, am 15. Mai 2016 auf Platz 1 bis 6 zu stehen, erzeugen hohe Erwartungen, einen großen Druck und gespannte Neugier. Die Zweite Liga ist stark. Sie ist namhaft besetzt, und Union, die einstige Fahrstuhlmannschaft der DDR-Oberliga, darf stolz darauf sein, im 25. Jahr der deutschen Einheit als einziger Ost-Traditionsclub in der Zweiten Bundesliga ganz oben dabei zu sein. Weshalb sich die Tabelle der 3. Liga wie die alte DDR-Oberliga liest, hat viele, nicht zuletzt wirtschaftliche Gründe. Auch hier steht ein spannendes Jahr vor den Toren der Stadien.

Ost und West sind in der Zweiten Lig zusammengewachsen

Übrigens hat die Zweite Liga ganz nebenbei einiges für das Zusammenwachsen von Ost und West getan: In Sonderzügen, Bussen und Autos reisen die Fans kreuz und quer zu den Spielen, aber nicht nur das: In Köln lockt der Dom, in Hamburg die Speicherstadt, in Nürnberg, Kaiserslautern, München und Berlin auch eine Menge. Düsseldorfer kommen nicht nur mit dem Fernzug, sondern ebenso mit dem Fahrrad in die Alte Försterei. Die Gästetribüne ist auch mit närrischen Neu-Berlinern gefüllt, Fans, die hier wohnen und ihre Fortuna im Herzen tragen.

Jedes Spiel ist ein Anfang, jedem Anfang wohnt auch hier ein Zauber inne. Trotzdem gibt es die immer gleichen Rituale: Am Bahnhof Köpenick blicken die Fans auf eine hochgerüstete Streitarmee von breitschultrigen Polizisten und, Achtung, hübschen blonden Polizistinnen mit Pistolinnen und Gummiknüppelinnen, Union-Girls bieten lächelnd das fette Programm an, an der Tanke steht man nach Bier und Bratwurst an, die Sammler leerer Flaschen haben bald ihre Taschen voll, der kollektive Weg von der Hämmerlingstraße durch den Wald gehört ebenso zum Ritual wie das körperliche Betatschen am Einlass: Gesucht wird – ja, was eigentlich? Wahrscheinlich Raketen, keine SS 20, mehr so kleine Silvesterknaller. Alles verboten.

Das Stadion als Ort der Seligkeit

Ansonsten ist das Stadion der Ort der Seligkeit, an dem sich jede Stimme austoben kann, mit Schal und ohne, 20 000 Trainer sitzen auf den Tribünen und geben ihren Senf dazu, diesmal besonders, weil vertraute Gesichter in der Mannschaft fehlen und neue dabei sind, um sich in die Herzen zu spielen. Union ist ein Traditionsverein, seit den zwanziger Jahren hieß die Elf der Schlosserjungs Union Oberschöneweide, damals wurde der anfeuernde Schlachtruf „Eisern, Union!“ geboren, er gehört also schon zum kulturellen Erbe, wenn der 1. FC Union am 20. Januar 2016 das 50-jährige Jubiläum seiner Neuzeit feiert.

Leider wird man dann noch immer nicht mit der S-Bahn vom Zoo bis nach Köpenick durchrauschen können, sondern, wie jetzt, am Ostkreuz umsteigen. Das hängt mit den Bauarbeiten am großen Bahnhof zusammen.

Und da kommt die Politik ins Spiel: In einem Interview im Stadionheft wurde Union-Präsident Dirk Zingler gefragt, wie zufrieden er mit der Unterstützung der Berliner Politik sei. Antwort: „Wir sind ein starker Steuerzahler und tun sehr viel für die Sozialarbeit im Bezirk. Ich würde mir wünschen, dass sich die Stadt darüber einig werden würde, wie man uns sieht. Die einen Politiker sagen, sie unterstützen nur Amateursport, die anderen sagen, Profisport muss sich selbst finanzieren. Dritte sagen zu Recht, dass wir wirtschaftliche Unternehmen für die Stadt Berlin sind, die eine Menge Steuern zahlen. Ich würde mir von der Stadt Berlin sehr wohl mehr Unterstützung wünschen. Denn jedem Betrieb, der in die Stadt kommt und Arbeitsplätze schafft, wird ein roter Teppich ausgerollt. Die, die schon hier sind, stellen sich einem Wettbewerb, und auch die Stadt Berlin muss sich einem sportlichen Wettbewerb gegenüber Dresden oder München stellen. Wir können uns nicht Sportmetropole nennen und den politischen Wunsch letztlich nicht mit Tatsachen untermauern. Deshalb wünsche ich mir nicht nur ein klares politisches Bekenntnis, sondern wirklich wettbewerbsgleiche Unterstützung wie in anderen Städten auch.“ Berlin hat nicht nur ein, sondern zwei Fußball-Eisen im Feuer. Man darf hoffen, dass sich Michael Müller als Regiermeesta den Sound dieser wilden Union da draußen in Köpenick näher betrachtet – und genießt.

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