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Berlin: Salon Vorwärts

Auftakt einer Veranstaltungsreihe im Restaurant der Neuen Synagoge

Kadima heißt, neben einer Partei in Israel, das dominierende Wahlbündnis im Parlament der Jüdischen Gemeinde zu Berlin – und das neue Restaurant bei der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße. Kadima heißt „Vorwärts“. Die neue Veranstaltungsreihe im Lokal heißt Kadima Salon.

Im Salon Vorwärts blickt man lieber zurück. Der Hausherr vom Centrum Judaicum nebenan, Hermann Simon, würdigt zum Auftakt Moses Mendelssohn, vor genau 278 Jahren in Dessau geboren. Der habe Toleranz gegenüber der Intoleranz für nicht tolerierbar gehalten. Der habe bei seinem epochalen jüdisch-deutschen Kulturtransfer auch wunderbare Weisheiten vermittelt wie den Spruch: „Stoße den Trunkenen nicht, er fällt von selbst.“

Die Pointe wird im gebildeten Wirtshaus-Publikum gern angenommen. Man parliert lebhaft an Tischen, die unter Glas Porträts von 21 jüdischen Persönlichkeiten zeigen: neben dem Geburtstagskind Moses große Namen wie die Dichter Lesser Ury, Kurt Tucholsky, Franz Kafka, Ernst Lubitsch, Hans Rosenthal, Rosa Luxemburg. Jeder dieser Unsterblichen erhält, wie Mendelssohn den Dr. Simon, einen Paten; das hat nichts mit Taufe oder Mafia zu tun, sondern mit der Gestaltung kommender Veranstaltungen. Lea Rosh, Patin für Rosa Luxemburg, propagiert erst mal ausgiebig ihren eigenen Salon, am 11. September im Alexander Plaza, da wolle man über die Hisbollah diskutieren.

Dagegen sagt Regina Scheer, die doch ihr druckfrisches Büchlein über den Weg des 14-jährigen Moses von Dessau nach Berlin vorstellen sollte, erst mal nichts. Der betagte Verleger Hentrich wirbt für seine auf 50 Titel angewachsene Reihe „Jüdische Miniaturen“. Man spielt einander Kontakte zu. Vortrag mit Verzehr, Börse der Begegnungen. Auf das abgenutzte Label Salon hätten die Veranstalter – ohne Salonièren-Persönlichkeit im Zentrum des Abends - gleichwohl besser verzichtet.

Doch können solche Inhaltsangebote, jenseits philosemitischer Folklore, dem Oranienburger Touri-Trampelpfad nur gut tun: wo manche Stadtführer fantasieren, rundum habe sich einst das „jüdische Scheunenviertel“ erstreckt. Wo es vor einiger Zeit noch ein Restaurant Mendelssohn mit Mendelssohn-Schnitzel gab. Der Salon Vorwärts setzt auf kulinarische Substanz: Die aktuelle Mendelssohn-Torte, Baumkuchen mit Waldbeeren, verbindet Lebensstationen des Schleckermäulchens Moses - Sachsen-Anhalt (Baumkuchen) und Berlin (Rote Grütze) – zum bedeutsamen Gaumenkitzel. Kadima! Das Wandgemälde zeigt elegische Salondamen der 1920er Jahre. Die Security-Kamera an der Decke verweist ins 21. Jahrhundert.

18. Oktober, 19 Uhr: Lesser-Ury-Abend im Kadima Salon

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