zum Hauptinhalt
Geteilte Stadt. Dieser Plan von 1968 stammt aus dem Westermann-Schulatlas.

© Repro: Tsp

Sammlung alter Stadtpläne: Berlin kannste knicken

Eine neue Sammlung alter Stadtpläne ist Geschichte zum Auseinanderfalten. Die Karten zeigen die großen Veränderungen seit 120 Jahren.

Einen Plan zu haben, ist immer gut. 13 Pläne sind noch viel besser, wie die Sammlung „Durch Berlin“ beweist, die gerade im kleinen Schöneberger Verlag Bien & Giersch erschienen ist. Sie versammelt Luftbildkarten, Stadtpläne und Vogelperspektiven aus gut 120 Jahren. Und als Paket hilft sie, Neuberlinern die Stadt zu verstehen, und lässt kundige Ureinwohner wissend nicken.

Etwa der „Monumental-Plan der Reichshauptstadt Berlin mit nächster Umgebung“ von Julius Straube 1891. Der schnurgerade „Generalszug“ vom Tauentzien bis zum Südstern ist – inklusive dem Doppelknick an der Yorckstraße – schon vorhanden, ebenso wie Tiergarten, Stadtbahntrasse und Ring. Dafür ist zwischen Kurfürstendamm und Deutsch-Wilmersdorf mit seinem Badesee (dem heutigen Volkspark) noch reichlich freie Fläche; von jwd gelegenen Nestern wie Rixdorf und Weißensee nicht zu reden.

Dokument der Zeitgeschichte

„Von diesem Plan sind wohl nur noch zwei Exemplare vorhanden“, sagt Verleger Ulrich Giersch. Seltenes und Besonderes habe er in seiner Sammlung vereinen wollen. Eine solche Besonderheit ist das Luftbild von 1928, das mangels Satelliten aus vielen Einzelfotos zusammengesetzt werden musste und die Enge der vom S-Bahn-Ring umschlossenen Mietskasernenstadt Berlin zumindest ahnen lässt. Umso größer ist der Kontrast zum Luftbild von 1953, das die vom Kriegsschutt beräumte, aber mit offenen Wunden übersäte Stadt zeigt. Im Luftbildplan von 1992 sind diese Wunden verheilt, dafür klaffen die von der Mauer gerissenen noch. Erst auf dem aktuellen Innenstadtplan aus der Vogelperspektive scheint alles gut – wohl auch, weil er farbig ist und eindrucksvoll illustriert, woher Berlin seinen Ruf als grüne Stadt hat.

Über ein scheinbar normales Kartenwerk von 1986 sagt Giersch: „Das ist irgendwie mein Lieblingsplan. Da hat der Westen unglaubliche Stadtforschung betrieben.“ Tatsächlich ist auch für die City-Ost jedes Gebäude vom Kindergarten übers Haus der Talente bis zum VEB Tiefbaukombinat exakt verzeichnet.

Ein Dokument der Zeitgeschichte ist auch der „Bummel durch Berlin“ von 1936: Mitten im roten Häusermeer befindet sich einerseits die dezent dargestellte Reichskanzlei, andererseits ein riesiges Pferd samt Veterinären an der Tierärzlichen Hochschule bei der Charité. Von Hitlers und Speers Germania ist noch nichts zu sehen.

Weniger zum Geld verdienen

Was das eigene Auge nicht sieht, wird in einem Begleitheft vom Historiker Jan Gympel erklärt. Der macht beispielsweise auf die westzentrierte Perspektive der „Elite Autofahrt“ von 1937 aufmerksam: Im Vordergrund ganz groß Charlottenburg, am Horizont das Rote Rathaus, dahinter ein vages, graues Häusermeer.

Angesichts einer Auflage von handsortierten – 700 Stück à 34,80 Euro sei die Kartensammlung eher „eine Plattform, um mit ähnlich interessierten Leuten ins Gespräch zu kommen und weniger zum Geld verdienen“, sagt Giersch. Und wer sie nicht gleich kaufen will, findet viele Berliner Stadtpläne aus drei Jahrhunderten online unter www.alt-berlin.info.

Am 1. Dezember um 20 Uhr erklärt der Historiker Jan Gympel die Karten in einem Multimediavortrag, und zwar in der Buchhandlung Schropp, Hardenbergstraße 9a. Der Eintritt kostet 3 Euro, Anmeldung unter Telefonnummer  235 57 320.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false