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Berlin: "Sandra könnte heute noch leben"

BERLIN .Sandras Tod kommentierte Richter Föhrig mit bitteren Worten: "Es ist ein dummes Vorurteil, daß die leiblichen Eltern gleichzeitig die besseren Eltern sind.

BERLIN .Sandras Tod kommentierte Richter Föhrig mit bitteren Worten: "Es ist ein dummes Vorurteil, daß die leiblichen Eltern gleichzeitig die besseren Eltern sind." Der deutsche Gesetzesgeber sieht dies aber anders: Er drängt darauf, daß auch Kinder, die zu Hause mißhandelt wurden, in die Familie zurückkehren.

Es wurde ein Urteil, in dem Empörung des Richters mitschwang.Die Empörung über den vermeidbaren Tod eines kleinen, wehrlosen Kindes."Wäre Sandra bei ihrer Pflegefamilie geblieben, wäre sie heute ein glückliches, dreijähriges Mädchen", sagte Friedrich-Karl Föhrig.Doch das Jugendamt, das der damals siebzehnjährigen Mutter das Kind Ende 1997 wegen des Verdachts auf Mißhandlung weggenommen hatte, folgte dem Willen des Gesetzgebers.Es gab das Kind seiner leiblichen, aber völlig überforderten Mutter zurück.Sechs Wochen später war Sandra tot.Gestern verurteilte die 36.Strafkammer des Landgerichts den ehemaligen Verlobten der 19jährigen Mutter wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren.Für den Richter ein sehr mildes Urteil: "Hätte der Staatsanwalt eine höhere Strafe gefordert, wären wir dem gefolgt."

Der 40jährige Pole hatte am 22.Februar auf Sandra aufgepaßt, während die Mutter gemeinsam mit seinem Bruder eine neue Wohnung einrichtete.Irgendetwas muß den Mann in Rage gebracht haben: Henryk F.schlug der Zweijährigen mit der flachen Hand und der Faust ins Gesicht, hielt ihr über lange Zeit die Hand vor den Mund und schüttelte sie schließlich so stark, daß Sandra am Morgen an Hirnblutungen verstarb.

Barbara B.kehrte zwar gegen zwei Uhr nachts zurück, alarmierte aber bis zum Morgen keinen Krankenwagen.Nach den Aussagen des Gerichtsmediziners hätte das Kind zu dieser Zeit noch gerettet werden können.Vor Gericht gab Barbara B., die jetzt mit einem anderen Mann verheiratet und erneut schwanger ist, zum ersten Mal an, daß ihr Lebensgefährte sie unter Drohungen davon abgehalten habe.Der Richter: "Fabrizierter Unsinn, um sich in ihrem eingeleiteten Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung besser dazustellen." Auch das Gutachten des Mediziners untergrub die Glaubwürdigkeit der jungen Polin.Danach erlitt das Kind noch am Morgen kurz vor seinem Tod erhebliche Verletzungen im Unterbauch.Als Verursacher dieser Verletzungen kommt nach Auffassung der Kammer nur die Mutter des Kindes in Betracht.Föhrig: "Hoffen wir, daß es sich um mißglückte Rettungsversuche handelte."

KATJA FÜCHSEL

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