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Sanierung der Staatsoper: Die Patina ist weg

Von der alten Staatsoper bleiben bei der Sanierung nur die nackten Mauern übrig. Die Radikalität des Eingriffs überrascht. Die Staatsoper gleicht einem ausgeweideten Tier.

Es ist ein Blick in den Abgrund. In ein riesiges, klaffendes Loch. Dort, wo das Parkett der Staatsoper war, wo sich das Kunstvolk in Abendgarderobe versammelt hat, um zu lauschen, zu leiden, sich verzücken zu lassen, dort lauert jetzt eine schlammige Brühe, ein Sumpf, den man keinesfalls mit Stöckel- oder Lederschuhen betreten sollte. Es ist der märkische Sandboden selbst, pfützendurchsetzt, vollgesogen mit nachquellendem Grundwasser. Von den Rängen ist nur noch blankes Mauerwerk übrig, einige traurige Stuckelemente hängen in der Ecke, ihrer Bedeutung vollends beraubt. Man weiß nicht mehr, wo man ist, verläuft sich in Gängen, die man jahrelang wie selbstverständlich benutzt hat. Nackte Betonsäulen stemmen die Decke, die Staatsoper ist ja in weiten Teilen ein 50er-Jahre-Bau, und plötzlich wird sichtbar, was all die Jahre verborgen war: dass sie fast der gleichen Epoche entstammt wie die wegen ihrer Architektur so oft geschmähte Deutsche Oper.

Es ist der erste Blick, den die Öffentlichkeit ins Innere wirft, seit die Sanierungsarbeiten begonnen haben. Die Radikalität des Eingriffs überrascht. Die Staatsoper gleicht einem ausgeweideten Tier. Bauleiter Bernd Krechting drückt das natürlich anders aus: „Die Entkernung ist abgeschlossen, jetzt beginnen wir mit den Rohbauarbeiten.“ Soll heißen, die marode Technik wurde völlig herausgerissen, sämtliche Schadstoffe entfernt, Wandverkleidungen „rückgebaut“. Jetzt kann man sich daranmachen, das Mauerwerk zu sanieren, es entstammt 30 verschiedenen Epochen, die älteste von 1741. Doch nicht nur das Hauptgebäude wird erneuert. Vom Intendanzgebäude nebenan ist das Mittelstück weggerissen, hier kommt die Probebühne rein, die exakt den Maßen der Hauptbühne entspricht – gemeinsam mit dem unterirdischen Kulissentunnel der eigentliche „logistische Meilenstein“, wie es Bauleiter Krechting nennt.

242 Millionen Euro sind für all das vorgesehen, Mathias Gille, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, versichert: „Das halten wir auch ein.“ Sein neuer Chef, der SPD-Politiker Michael Müller, lässt sich währenddessen von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher die Baustelle zeigen: „Es gibt einen vierten Rang“, erklärt sie ihm, „der allerdings nicht fürs Publikum geöffnet ist. Aber das zusätzliche Raumvolumen verbessert die Akustik.“ Müller, mit modischem Schal, kann die Publicity gut gebrauchen, besonders nach dem S-Bahn-Desaster vom Vortag. Am Ende des Rundgangs stellt der Stadtentwicklungsenator klar, dass er seinen Blick über Berlin hinaus richtet: „Dies ist eine wichtige Baustelle, auf die das ganze Land guckt“, resümiert er. Da passt es ja, dass die Staatsoper ihre Spielzeit am 3. Oktober eröffnet – ab 2014 dann wieder Unter den Linden.

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