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Berlin: Sarrazin wird zum Steuerberater der Republik Der Finanzsenator liebt Grundsatzfragen

Neues Reformkonzept stößt auf großes Interesse

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Thilo Sarrazin – der erste deutsche SPD-Spitzenpolitiker, der in der aktuellen Debatte um eine Steuerreform ein neues, radikales Konzept vorgelegt hat. Auch die überregionalen Zeitungen, Süddeutsche Zeitung, Die Zeit und andere, griffen seine Thesen wohlwollend auf. Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 15 Prozent; Streichung der Eigenheimzulage und der Entfernungspauschale; eine höhere Bemessungsgrundlage für Besitzsteuern und weniger steuerrechtliche Schlupflöcher.

Das Modell für eine „nachhaltige Reform des Steuersystems“ bis 2050 ist, um der Wahrheit die Ehre zu geben, nicht allein auf dem Mist des Berliner Finanzsenators gewachsen. Sieben sozialdemokratische Politiker und Wissenschaftler haben das Papier unter Federführung Sarrazins und dessen Freundes Ulrich Pfeiffer für den Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung geschrieben. Pfeiffer leitet das wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Beratungsinstitut „Empirica“, mit Sitz in Bonn und einer Filiale am Kurfürstendamm. Schon 1999 hat er zusammen mit Sarrazin viel beachtete Thesen über die „Zukunft der Region Berlin-Brandenburg“ verfasst.

Zum Kreis der Autoren, deren Vorschläge zur Steuerreform jetzt Schlagzeilen machen, gehört übrigens auch die Ex-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing. Sie ist im Managerkreis ebenso aktiv wie Sarrazins Amtsvorgängerin Christiane Krajewski, der Vorstandschef der Berliner Volksbank Karl Kauermann, der ehemalige Tagesspiegel-Herausgeber Heik Afheldt und einige Manager deutscher Großunternehmen.

Ein Kreis, in dem sich Sarrazin wohl fühlt und für den er seit Jahren immer wieder Grundsatzpapiere produziert. Mal zum „Bündnis für Arbeit“, mal zum Verhältnis von Wachstum, Wohlstand und Tarifpolitik oder zur Neugestaltung des öffentlichen Beteiligungsmanagements. Als meinungsfreudiger Volkswirtschaftler und Finanzexperte machte Sarrazin in den vergangenen Jahren auch nicht davor halt, für die Einführung der Autobahn-Maut, für die Lockerung des Kündigungsschutzes und gegen die Bürgerversicherung einzutreten.

Und vor zwei Monaten kündigte der Finanzsenator im Tagesspiegel an: „Wenn Ende 2005 der größte Schutt von der Baustelle Finanzpolitik abgeräumt ist, möchte ich mich gern intensiv mit der Frage befassen, wie wir Berlin für die Wirtschaft attraktiver machen können.“ Manchmal wissen die Genossen in der Berliner SPD nicht, was sie davon halten sollen. Der überraschende Vorstoß für eine radikale Steuerreform wurde in der Fraktions- und Landesspitze aber wohlwollend aufgenommen. Man sieht dort, dass Sarrazin seit geraumer Zeit schwer – und nicht ohne Erfolg – daran arbeitet, sein Image als brutaler Sparkommissar los zu werden. Vielleicht bleibt er, so hört man, doch über 2006 hinaus Finanzsenator, sofern die SPD weiterregieren darf. Nur der FDP-Landeschef Martin Lindner ist stocksauer: „Sarrazin regt mich auf.“ Er solle seine „Maulhurerei“ lassen und, anstatt Papiere zu schreiben und Vorträge zu halten, sich im Senat besser mit seiner Sparpolitik durchsetzen.

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