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Hans-Jürgen Schatz, 55, Schauspieler und Kulturretter.

© Vincent Schlenner

Saubere Sache in Kreuzberg: Auf den Spuren des glücklichen Sisyphos

Hans-Jürgen Schatz schlendert gern über den Friedhof und tut dabei Gutes: Er organisierte schon Benefizabende mit Lesungen, Vorträgen, klassischer Musik um unter anderem Gräber restaurieren zu können. Am Aktionstag Saubere Sache wird Laub geklaubt.

Vor dem Grab des Theologen Philipp Konrad Marheineke trifft Hans-Jürgen Schatz auf den Friedhofsgärtner. „Ach, Sie waren schon bei Charlotte?“ fragt der. Die beiden sind per Du mit den großen Gestalten des 19. Jahrhunderts wie etwa der Schriftstellerin Charlotte von Kalb, „eine enge Freundin und wohl auch Geliebte von Schiller", wie Schatz weiß. Der 55-jährige Schauspieler aus Wilmersdorf fühlt sich zu Hause in der Welt der Klassiker. Er erzählt beim Gang über den Kreuzberger Friedhof Dreifaltigkeit II in der Bergmannstraße von „Tiecks Pfingstreise von 1793“ und den „Superstars des Theaters - die gab es damals ja noch“. Charlotte von Kalb liegt einige Schritte den Hügel hinunter begraben.

Hans-Jürgen Schatz hat sich für die Restauration ihrer Ruhestätte eingesetzt, ebenso wie für insgesamt ein Dutzend historischer Gräber. Er sammelt Spenden, redet mit Politikern, organisiert Benefizveranstaltungen - und dies nicht nur für Gräber, sondern auch in seinem Engagement für das Schloss Britz, den Freundeskreis Schlösser und Gärten der Mark und die Max-Liebermann-Gesellschaft, die in der Villa des Malers am Wannsee ein Museum eingerichtet hat. Schatz ist zudem Vorsitzender des Vereins „Rettet die Ku'damm-Bühnen e.V.“, der seit Jahren für den Erhalt der Komödie und des Theaters am Kurfürstendamm kämpft.

Außerdem ist Hans-Jürgen Schatz ein begeisterter Fußgänger. Wenn er an den vernachlässigten Ecken Berlins vorbeiläuft, denkt er ständig: „Man könnte, müsste, sollte…“ Doch irgendwann hat er beschlossen, sein Engagement auf kulturelle Belange zu konzentrieren. „Ich mache das, was mit mir, meinem Beruf, meinem Leben zu tun hat. Das macht mein Engagement glaubhaft“, sagt er. So organisierte er über die Jahre Dutzende Benefizabende mit Lesungen, Vorträgen, klassischer Musik - alles für kulturelle Anliegen. Unweit der Friedhöfe in der Bergmannstraße ist Hans-Jürgen Schatz aufgewachsen. In der Schleiermacherstraße ging er zur Schule, in der Marheineke-Markthalle mit Omi einkaufen. Später restaurierte er die Gräber der Namensgeber.

Als er vor zwei Jahren vor dem restaurierten Grab von Philipp Konrad Marheineke stand, dachte er: „Und alles nur, weil ich es gewollt habe.“ Da wurde ihm noch einmal deutlich, was ein einzelner Mensch in Bewegung setzen kann. Im Anschluss an die erste Ausgabe der Tagesspiegel-Aktion „Saubere Sache“ organisierte Hans-Jürgen Schatz im vergangenen November einen Aktionstag auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof. 25 Helfer kamen, darunter viele Tagesspiegel-Leser, um das Laub zusammenzukehren. Diesen November möchte Schatz die Aktion wiederholen. Manchmal kommen dem Schauspieler Gedanken darüber, wie viele Gräber verfallen, während er eines restaurieren lässt. Aber dann denkt er gar nicht erst weiter. Schatz fällt dazu Sisyphos ein, der tragische Held der griechischen Mythologie, der bis in alle Ewigkeit einen Stein immer wieder einen Berg hinauftragen muss. Neulich hat Schatz einen Satz über den Helden gelesen: „Man muss Sisyphos als einen glücklichen Menschen begreifen.“ An die Begründung kann sich Schatz im Moment nicht mehr erinnern. Aber den Satz hat er sich gemerkt.

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