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Berlin: Schall und Wut – und Stau

Die Studenten werden lauter und verlieren die Geduld. Wieder haben am Sonnabend Zehntausende demonstriert. Der Verkehr rund um den Potsdamer Platz brach zusammen

Von Tilman Warnecke

und Dagmar Rosenfeld

Das nasskalte Wetter hielt die Studenten am Sonnabend nicht davon ab, auf die Straße zu gehen: Nach Polizeiangaben demonstrierten in Berlin rund 20000 Studenten, laut Veranstalter sogar über 50000, gegen die Kürzungen an den Universitäten. Vom Brandenburger Tor aus zogen sie über die Straße des 17. Juni zum Alexanderplatz. Autofahrer die in der Innenstadt unterwegs waren, kamen kaum voran. Am Potsdamer Platz ging zeitweise überhaupt nichts mehr, selbst die Busse der BVG kamen nicht durch, als die Studenten sich mit Trommeln, Trillerpfeifen und dröhnender Musik versammelten. Es war ein lauter Protest. „I want it all“ von Queen schallte aus den Lautsprechern. Und alles – das wollen auch die Berliner Studenten: mehr Studienplätze und mehr Geld. Weil die Politiker in Berlin und anderswo auch nach mehreren Streikwochen zu keinen Zugeständnissen bereit sind, versuchen die Studenten es jetzt mit bundesweiten Protestaktionen: Auch in Frankfurt am Main und Leipzig demonstrierten am Sonnabend mehrere Tausend gegen die deutsche Bildungspolitik. Die Forderungen der Berliner Studenten richteten sich nicht mehr nur an den Senat, sondern auch an die Bundesregierung. „Wir sind dafür, dass der Spitzensteuersatz erhöht und eine Vermögenssteuer eingeführt wird“, sagt Marius Pöthe, Asta-Vorsitzender der TU.

Die Forderungen werden immer massiver und gleichzeitig sind viele Studenten enttäuscht über das Verhalten der Politiker. „Diese Hinhaltetaktik ist frustrierend“, sagt Sylvia, die an der TU Psychologie studiert. Sie hat sich einen Zahn schwarz gemalt und auf ein Pappschild geschrieben: „Wer zu viele Studienplätze streicht, darf sich über Bildungslücken nicht wundern.“ Die Sympathiebekundungen einzelner Politiker würden an der Situation der Studenten nichts ändern, sagt Sylvia. „Wir wollen konkrete Angebote.“ Sie glaubt, dass die Protestaktionen radikaler werden. Die Wut unter den Studenten wächst, bestätigt auch Pöthe. Das haben die Besetzungen der SPD-Bundeszentrale und der Bertelsmann-Repräsentanz gezeigt. Die Gebäude wurden von der Polizei geräumt, die Studenten herausgetragen. Solche Besetzungsaktionen seien nunmal eine gute Möglichkeit, die Forderungen der Studenten in die Öffentlichkeit zu bringen. „Wir lehnen Gewalt ab, aber in Gebäude einzudringen und sie zu besetzen, das geht in Ordnung.“ Auf der Demonstration blieb alles friedlich. Nur am Potsdamer Platz rannten ein paar Studenten laut kreischend über den Weihnachtsmarkt im Sony Center, um die Passanten zu erschrecken. Das funktionierte ganz gut, die Leute wichen ängstlich zurück.

Unterstützt wurden die Studenten von Attac, der Gewerkschaft Verdi und der Landeselternpflegschaft. Und auch Kommilitonen aus Kiel, Lüneburg und Dresden waren nach Berlin gereist. Sie trugen Transparente mit der Aufschrift „Studierende aller Hochschulen vereinigt euch.“ Vom Potsdamer Platz ging es zum Alex zur Abschlusskundgebung. Ein Studentenvertreter der FU rief dazu auf, die Politiker „so lange zu schubsen, bis sie fallen. Wir haben einen langen Atem.“ Der Streik werde erst enden, wenn alle Forderungen erfüllt seien, sagte er. In den kommenden Tagen werden die Studenten sich wohl mit weiteren Besetzungsaktionen, und Mahnwachen vor dem Roten Rathaus und Protestmärschen bemerkbar machen. Allerdings zweifeln einige, ob das über Weihnachten durchzuhalten ist. „Entweder wir werden radikaler oder wir geben auf, dazwischen gibt es nichts“, hatte auch Sylvie gesagt.

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