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Berlin: Schalterstunde im Freien

Von Claudia Keller Auch Bankern platzt manchmal der Kragen. Und dann geht gar nichts mehr.

Von Claudia Keller

Auch Bankern platzt manchmal der Kragen. Und dann geht gar nichts mehr. So wie am Donnerstag, als ein Drittel aller Bankfilialen in Berlin nicht öffneten. Bei den Sparkassen waren es sogar die Hälfte der 160 Filialen. Rund 2000 Bankangestellte haben gestreikt und auf dem Breitscheidplatz demonstriert. Anders als den Bauarbeitern oder den Metallern in den vergangenen Wochen geht es den Bankangestellten aber nicht so sehr um die 6,5 Prozent mehr Gehalt, die die Gewerkschaft Verdi fordert. Den meisten geht es um viel mehr. Sie fürchten, die Arbeitgeber wollten sie zu „Profitcentern“machen. Diejenigen, die im Verkauf oder „verkaufsnahen“ Bereichen arbeiten, sollen nur noch 65 Prozent des Tarifgehaltes bekommen. Die restlichen 35 Prozent sollen sie sich auf Provisionsbasis dazuverdienen. Wenn sich die Gewerkschaft darauf einlässt, wollen die Arbeitgeber 3,1 Prozent mehr Gehalt zahlen. Bisher sind alle Vermittlungsgespräche geplatzt.

„Wenn sich die Chefs durchsetzen“, sagt Silke Zablewski-Schmidt, „werden alle nur noch an die Provision denken.“ Die Leidtragenden werden die Kunden sein. „Die kriegen dann Versicherungen aufgeschwatzt, ob sie die brauchen oder nicht. Hauptsache ich komme auf meine 100 Prozent.“

Bei Großbanken mag das funktionieren, sagt Zablewski-Schmidt, aber bei mir in der Sparkasse? Die zierliche 32-Jährige in Jeanshose und Jeansjacke schlägt sich mit der Hand gegen die Stirn. In ihrer Filiale am Kottbusser Tor sei jeder dritte Kunde arbeitslos, jeder vierte verstehe kein Deutsch. „Und denen soll ich Bausparverträge verkaufen und Fonds?“ Wie oft komme es vor, dass sie für ihre Kunden beim Sozialamt anrufen muss, bei Pfändungen vermittelt oder einfach beim Ausfüllen von Überweisungen hilft, das gehöre für sie selbstverständlich dazu – obwohl sie das offiziell jetzt schon nicht mehr dürfte. Das bringe der Bank schließlich kein Geld. Für die Arbeitgeber seien das klare Fälle für den Bankautomat, fertig.

Die Bankfachwirtin arbeitet seit 16 Jahren bei der Sparkasse im Vertrieb und verdient 2770 Euro Tarif. Als alleinerziehende Mutter mit einer fünfjährigen Tochter komme sie damit gut zurecht, sagt sie. Aber mit 30 Prozent weniger werde es schwierig. „Wenn ich künftig in Sommerurlaub fahren will, muss ich den Kunden im Mai besonders viel aufschwatzen“, sagt eine Kollegin von der Commerzbank. Die Banken machten sich ihre Seriosität kaputt. Nichts aber sei im Bankgeschäft so wichtig wie Vertrauen. „Der Kunde kann künftig nach jedem Vertragsabschluss zur Verbraucherzentrale rennen“, meint Michael Wolff von der Volksbank. „Und wer garantiert, dass die Provision wirklich ausgezahlt wird?“ Die Provisionszulage, die den Commerzbank-Mitarbeitern 2001 zugestanden hätte, wurde gestrichen. Die wirtschaftliche Lage erlaube es nicht, habe es geheißen.

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