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Die Gedenktafel für Carl Langhammer (1868 – 1943) befindet sich vor dem heutigen Domizil des Vereins Berliner Künstler, Schöneberger Ufer 57 (Tiergarten).

© OTFW, Berlin / Wikipedia.org

Schauplatz Berlin (Auflösung 17): Der renitente Vorsitzende

Fast an jeder Ecke in Berlin hängt eine Gedenktafel, 2842 sind es insgesamt. Der Tagesspiegel bietet jede Woche ein Gedenktafel-Rätsel. Hier finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, die Auflösung zu unserer siebzehnten Folge.

Hatte er zunächst noch taktiert gegenüber der Kulturpolitik des NS-Regimes: als man ihm, dem Konservativen, zusetzte?

Ein paar Jahre vorher, 1928, war Carl Langhammer anlässlich seines 60. Geburtstags erstmals mit einer großen Werkschau in Berlin gewürdigt worden. Im Jahr darauf rückt er an die Spitze des renommierten Vereins Berliner Künstler, der ältesten Künstler-Vereinigung in Deutschland, der er selbst seit 1890 angehört. Beim Bezug des neuen Vereinsdomizils an der Bellevuestraße stellt er 1931 fest: Berlin sei nunmehr auf das Fünffache seiner vormaligen Einwohnerzahl angewachsen, „und an Künstlervereinigungen oder gar Ausstellungen haben wir schon gar beinahe eine Inflation“. Vielleicht könne von diesem Haus aus „die sich immer mehr vertiefende Kluft zwischen der modernen Kunst und dem Publikum“ geschlossen werden. Allerdings habe niemand jemals „mit Erfolg dem Künstler vorschreiben können, was und wie er schaffen soll . . .“

Zu dieser Autonomie-Erklärung passt dann freilich kaum der untertänige Brief, den der Vorsitzende knapp zwei Jahre später, acht Monate nach Hitlers Ernennung zum Kanzler, an einen Regierungsrat in der Wilhelmstraße schreibt: Der Verein Berliner Künstler verfüge seit kurzem, als Ergebnis eines Preisausschreibens, über eine Silberplakette „von besonderer künstlerischer Schönheit“ – und wolle diese nun erstmals verleihen, und zwar dem Führer, welcher sich in Nürnberg mit einer „wundervollen Kulturrede“ um die deutsche Kunst verdient gemacht habe. Das Angebot wird postwendend abgelehnt. Einige Ausstellungen des Vereins in den ersten Jahren des „Dritten Reiches“ passen zum nationalsozialistischen Trend, andere nicht. 1935 verfügt das Amtsgericht Langhammers Absetzung, da er an der Spitze des Vereins politisch untragbar sei: nachdem er die Abschaffung demokratischer Vereinsstrukturen zugunsten des Führerprinzips und den Ausschluss Max Liebermanns als Ehrenmitglied ebenso verweigert hatte wie die Verleugnung der jüdischen Förderer seiner Organisation auf einer Dankestafel am Vereinshaus Bellevuestraße. Die Vereinsleitung wird einem linientreuen Rechtsanwalt übertragen.

Die Gedenktafel für den Widerspenstigen steht nicht an dem Ort, wo er selbst die Geschäfte führte, sondern an der seit 1964 gültigen Adresse der Vereinigung, die seit 1990 auch Frauen als Mitglieder akzeptiert. Sie liegt am stark befahrenen Schöneberger Ufer gegenüber dem Landwehrkanal. Vor dem Haus 57 im Gärtlein links dokumentiert eine textreiche Tafel die Vereinshistorie. Eine zweite Tafel im Heckenkarree rechts würdigt den Mut des Portrait- und Landschaftsmalers, der 1868 in Moabit das Licht der Welt erblickt hatte, an der Königlichen Akademie für bildende Künstler studierte, später zur Berliner Secession gehörte, Ullsteins Weltgeschichte illustrierte und am 1. Februar vor 70 Jahren in Berlin gestorben ist.  

Die nächste Folge von Schauplatz Berlin erscheint am kommenden Sonntag im gedruckten Tagesspiegel.

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