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Die  Gedenktafel für den Computer-Pionier Konrad Zuse (1910 – 1995) hängt an einer alten Ziegelmauer vor einem Hof an der Methfesselstraße 7 (Kreuzberg).

© OTFW, Berlin / Wikipedia.org

Schauplatz Berlin (Auflösung21): Der Erfinder

Fast an jeder Ecke in Berlin hängt eine Gedenktafel, 2857 sind es insgesamt. Der Tagesspiegel bietet jede Woche ein Gedenktafel-Rätsel. Hier finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, die Auflösung zu unserer einundzwanzigsten Folge.

Vielleicht hatten sich damals schon einige seiner Talente gemeldet: als er sein Lateinbuch mit Skizzen von Lokomotiv-Typen und S-Bahnzügen vollkritzelte. Konrad Zuse war geborener Berliner, dann aber in Ostpreußen aufgewachsen und in Hoyerswerda zum Gymnasium gegangen. Dort zeigt sich die Bastelbegabung des Knaben, der den Zweigang seines Fahrrads mit dem Stabilbaukasten repariert, welcher ihm aber auch zugleich dazu dient, die regionale Abraumförderung für Aluminium als riesiges Liliputmodell nachzubauen. 1926 inspiriert Fritz Langs „Metropolis“ den Primaner, das Verkehrskonzept einer 35-Milionenstadt zu entwickeln: Er kombiniert das Schachbrettsystem amerikanischer Städte mit der Idee zentral gebündelter Straßenführung, entwirft Kleeblattkreuzungen und die Anbindung des U-Bahn-Netzes an Expresszug-Linien, Umsteigen während der Fahrt inbegriffen.Das Regelbewusstsein seines Vaters, der als preußischer Postbeamter in 40 Dienstjahren angeblich nie krank gewesen ist,  internalisiert er selber nicht. Jedenfalls fallen seine langen Haare  provozierend auf; er bezeichnet sich selbst sogar als Bummelstudenten. Aber wie Regeln funktionieren, das beschäftigt ihn.

Das Manuskript seiner Erinnerungen beginnt er Jahrzehnte später, unter der Überschrift „Die Uhr tickt“, mit einer Rückblende auf das Jahr 1942: Damals habe er, obwohl Flugzeug-Ingenieur bei den Henschel-Werken, dann doch die gefürchtete Einberufung erhalten. „Keiner machte sich Illusionen. Jeder wusste worum es ging und war auf das Schlimmste gefasst.“ Nicht Frau und Kind, wie andere, lässt er zurück, aber in der elterlichen Wohnung an der Kreuzberger Methfesselstraße ein raumgreifendes Versuchsmodell: sein Lebenswerk in nuce.

Den ersten vollautomatisch in binärer Gleitkommarechnung arbeitenden, programmgesteuerten und frei programmierbaren Computer weltweit! „Sollte diese ganze Entwicklung nun beendet sein? Falls ich in Russland bleiben sollte, würde sich wohl zunächst kaum kaum jemand finden, der die Arbeit fortsetzen könnte.“ Auf dem Weg zur Front erreicht ihn überraschend die erhoffte Zurückstellung – er sei ja doch als Ingenieur unabkömmlich für den Flugzeugbau. Seine Rechner-Forschung, die er künftig paralell im privaten Büro weiterführen darf, wird von der Rüstungsindustrie gefördert. Hitler allerdings soll, von Albert Speer auf die Optionen dieser Technolgie für die Waffenentwicklung hingewiesen, abgewunken haben: So was brauche er nicht, „das mache ich mit dem Mut meiner Soldaten“.

In Friedrich Delius´ Roman „Die Frau, für die ich den Computer erfand“, der Konrad Zuse  14 Jahre nach seinem Tod literarisch verewigen wird, sinniert der Erfinder über Faust, Mephisto , sein expressionistisches Mal-Hobby und über jene historische Frauengestalt, die ihn als Mathematikerin  (so dichtet der Schriftsteller) zu seiner epochalen Pionierleistung inspiriert habe. Dem wirklichen Tüftler Zuse war es übrigens nicht mal vergönnt, seine weltverändernde Konstruktion gegenüber internationalen Rivalen erfolgreich patentieren zu lassen. Seine Gedenktafel hängt in einer bergauf führenden Sackgasse, an einer bröckligen, von Holunder überwachsenen, romantischen Ziegelmauer: vor dem Hof zu jenem kriegszerstörten Haus, in dem sich bis zum Bombentreffer vor rund 70 Jahren seine Werkstatt befand.

Die nächste Folge von Schauplatz Berlin erscheint am kommenden Sonntag im gedruckten Tagesspiegel.

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