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Schauplatz BERLIN Wer?  Wo? Wann? – Das Tafelrätsel: Bummelstudent und Tüftler

Fast an jeder Ecke in Berlin hängt eine Gedenktafel, 2856 sind es insgesamt. Der Tagesspiegel bietet jede Woche ein Gedenktafel-Rätsel. Sie, liebe Leserinnen und Leser, dürfen jeweils herausfinden, ob Sie den Ort, die Person beziehungsweise das Ereignis kennen. Rätseln Sie mit bei Folge 21!

Vielleicht meldeten sich damals schon einige seiner Talente, als er sein Lateinbuch mit Lok-Skizzen und S-Bahnen vollkritzelte. Er war geborener Berliner, in Ostpreußen aufgewachsen, in Hoyerswerda zum Gymnasium gegangen. Dort zeigt sich die Bastelbegabung des Knaben, der den Zweigang seines Fahrrads mit dem Stabilbaukasten repariert, welcher ihm zugleich dazu dient, die regionale Abraumförderung für Aluminium in gigantischer Liliput-Version nachzubauen. 1926 inspiriert Fritz Langs „Metropolis“ den Primaner, das Verkehrskonzept einer 35-Millionen-Stadt zu entwickeln: Er kombiniert das Schachbrettsystem amerikanischer Städte mit der Idee zentral gebündelter Straßenführung, entwirft Kleeblattkreuzungen und die Anbindung des U-Bahn-Netzes an Expresszug-Linien, Umsteigen während der Fahrt inbegriffen! Das Regelbewusstsein seines Vaters, der als preußischer Postbeamter in 40 Dienstjahren nie krank gewesen sei, internalisiert er nicht. Seine langen Haare fallen auf; er bezeichnet sich als Bummelstudenten. Aber wie Regeln funktionieren, das beschäftigt ihn.

Seine Erinnerungen beginnt er Jahrzehnte später, unter der Überschrift „Die Uhr tickt“, mit einer Rückblende auf das Jahr 1942: Damals sei er, obwohl Flugzeug-Ingenieur, dann doch einberufen worden. „Keiner machte sich Illusionen. Jeder wusste, worum es ging und war auf das Schlimmste gefasst.“ Nicht Frau und Kind lässt er zurück, aber in der elterlichen Wohnung ein raumgreifendes Versuchsmodell: sein Lebenswerk in nuce. „Sollte diese ganze Entwicklung nun beendet sein? Falls ich in Russland bleiben sollte, würde sich wohl zunächst kaum kaum jemand finden, der die Arbeit fortsetzen könnte.“ Auf dem Weg zur Front erreicht ihn die Zurückstellung – unabkömmlich für den Flugzeugbau. Seine Forschung auf anderem Gebiet, die er privat weiterführen darf, fördert die Rüstungsindustrie. Hitler freilich soll, von Albert Speer darauf hingewiesen, gesagt haben: So was brauche er nicht, „das mache ich mit dem Mut meiner Soldaten“.

In einem Roman, der ihn nach seinem Tod verewigen soll, sinniert der Erfinder über Faust, Mephisto , sein expressionistisches Mal-Hobby und über jene Frau, die ihn (dichtet der Schriftsteller) zu solchen Pionierleistungen inspiriert habe. Dem wirklichen Tüftler war es nicht vergönnt, seine weltverändernde Konstruktion patentieren zu lassen. Seine Gedenktafel hängt in einer bergauf führenden Sackgasse, an einer bröckligen, von Holunderbüschen überwachsenen Ziegelmauer: vor dem Hof zu jenem kriegszerstörten Haus, in dem sich bis zum Bombentreffer vor rund 70 Jahren seine Werkstatt befand.

Wer war’s? Wo hängt die Tafel? Auflösung am Mittwoch unter www.tagesspiegel.de

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