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Nun lacht doch mal! Ein Smile Seminar in Deutschland ist immer auch ein Experiment. Findet jedenfalls Hiller. So ernst, die Deutschen. So streng auch. Keine Hollywoodlässigkeit. Stattdessen: Land des Nichtlächelns. Foto: DominiqueEcken/babiradpicture

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Schauspielcoach Bernhard Hiller gibt ein Smile-Seminar in Berlin: Der Amüsierprediger

Bernhard Hiller hat mit Al Pacino und George Clooney gearbeitet. In Hollywood ist er eine Instanz. Die Devise des Schauspiellehrers: Lächeln, lächeln, lächeln. Aber funktioniert das auch in Berlin?

Berlin - Wo bleibt er? Da ist er! Ist er das? Als Bernhard Hiller ans Pult tritt, bricht im Plenum die Aufregung aus wie ein Fiebervirus. Der Mann, der die Deutschen endlich Glamour lehren soll, lächelt erst mal den Jetleg weg. „Ich komme aus Los Angeles, der einzigen Stadt der Welt, in der Träume wahr werden.“

In Berlin, dieser Stadt, in der Träume platzen, gibt der prominente Schauspieltrainer ein Smile Seminar. Lächeln wie Clooney, strahlen wie Di Caprio. In der Einladung hieß es: Bernard lüftet die Geheimnisse des Erfolgslächelns, verrät, weshalb Stars auf dem roten Teppich eine gute Figur machen, vermittelt, wie jeder Mensch positiver und glücklicher leben kann. Das Publikum, es sitzt in drei Reihen vor Hiller, staunt und nickt. Positiver und glücklicher: her damit, warum denn nicht. Kann man in Mitte gut gebrauchen. Stühlerücken in der Kunztschule, einem Veranstaltungsraum am Checkpoint Charlie. Hiller will, dass ihm die Menschen nahe sind, will sie spüren. Ihren Puls. Ihre Stimmung. Ihre Energie! Ran ans Pult also. Aber kann ihm dieses Publikum genug Energie geben?

Bernhard Hiller arbeitet eigentlich mit den Granden aus Amerikas Filmindustrie zusammen, er hat Jeff Goldblum begleitet und Billy Crystal, machte Cameron Diaz zum Star und auch Kate Hudson. Hiller hat beim legendären Lee Strasberg gelernt, jetzt lehrt er seine eigene Technik.

„Bevor wir die Sprache erfanden, hatten wir nur unser Lächeln. Nur unser Lächeln verriet früher: Freund oder Feind?“ Dem Coach liegt die freie Rede, klar, zwei Hemdknöpfe offen, ausladende Gestik, der linke Zeigefinger sticht wilde Muster in die Luft. Bernhard Hiller sieht aus wie Bruce Springsteen ohne Rock’n’Roll, er rast durch seinen Kurs. Seid authentisch! Seid ihr selbst! An die vom Zweifel Zernagten richtet er sich, an die Zyniker und Blender, dampfplaudernd, immer im Gute-Laune-Imperativ. Zwischenzeitlich klingt das fast therapeutisch. „Jeder von euch wurde mit einer besonderen Gabe geboren! Ihr müsst herausfinden, was diese Gabe ist!“ In Reihe eins ruft ein Mann mit Silberhaar: „Come on, guys!“ Der Restsaal schweigt. Denkt nach. Gabe? Welche Gabe? Auch der Barmann sinniert, Kinn in die Hand gestützt, auf einer Serviette macht er sich Notizen. Kündigung in der Gastronomie, für ein Leben in Hollywood? Hm.

Ein Smile Seminar in Deutschland ist immer auch ein Experiment. Findet jedenfalls Hiller. So ernst, die Deutschen. So streng auch. Keine Hollywoodlässigkeit. Stattdessen: Land des Nichtlächelns. Der Amüsementprediger surft damit an der Klischeegrenze. Aber er hat recht. Als Hiller zum spontanen Lächeln auffordert, sieht es plötzlich aus, als habe man dem Publikum die Kiefermuskulatur gegen seinen Willen kontrahiert.

Hiller sagt: „Ihr müsst mehr lächeln. Lächeln macht glücklich. Lächeln macht erfolgreich.“ Der graue Erste-Reihe-Mann sagt: „Ich kann nicht lächeln.“ Hiller sagt: „Wer ist der Typ? Ein Komiker.“ Er holt jemanden nach vorne, der kein Komiker ist, sondern seine Hoffnung: Francisco Javier Medina. Hiller hat ihn vor zwei Jahren entdeckt, will ihn in Hollywood unterbringen. Im Winter soll der Deutsch-Chilene mit Stephen Dorff drehen. Bis jetzt war er im „Traumschiff“ zu sehen und bei „Alles, was zählt“. Durchbruch durch Grinsen? Nicht nur, glaubt Medina: „Bernhard hat mich wachgerüttelt. Er hat mich innen verändert. Ich war immer ernsthaft. Jetzt will ich auch Spaß haben. Bernhard kann die Menschen aufwecken, wie Zombies.“

Am Ende weckt Hiller die Zuschauer auf: „Tappt nicht auf Fußspitzen Richtung Tod! Fangt das Leben an, zu dem ihr geboren wurdet.“ Wie ein Guru blickt er in die Runde. Selbsterkenntnis. Betonierte Fröhlichkeit. Wie sieht ein gutes Lächeln aus, Herr Hiller? „Jedes Lächeln, das von Herzen kommt, ist gut und richtig. Falsches Lachen erkennt man sofort. Es ist eine Maske.“ Und dann lächelt er. Milde, Blick plötzlich in die Ferne, einen Punkt im toten Raum fixierend, die Augenbrauen gehen ein bisschen hoch dabei. Das ist das Bernhard-Hiller-Lächeln. Es sieht, zugegeben, ziemlich echt aus.

Moritz Herrmann

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