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Kann nicht aufhören zu arbeiten. Schauspielerin Luise Lunow, 80, im Café der Babelsberger Filmstudios – zwischen Synchronsprecherjob und Fitnessstudio.

© J. Bergmann

Schauspielerin Luise Lunow: Als Loriot sie vom Stuhl warf

Mit 80 Jahren hat die Babelsberger Schauspielerin Luise Lunow ihr Leben in einem Hörbuch verarbeitet.

Als Loriot 1990 „Pappa ante Portas“ in den Babelsberger Defa-Studios drehte, war Luise Lunow dabei. Die Szene mit ihr als Frau Bredenbek findet sich auf ihrer Homepage: Vicco von Bülow als Heinrich Lohse, Einkaufsdirektor im Ruhestand, zieht die Kulturbeilage unterm Hintern der im Sessel sitzenden Frau Bredenbek hervor. Und die kippt mit steifem Oberkörper auf die Kaffeetafel. „Wir haben unzählige Male gedreht, bis es perfekt war. Dann war er der glücklichste Mensch. Loriot war ja so penibel“, sagt Lunow. Heute ist die Schauspielerin 80 Jahre alt. Und hat gerade ein weiteres großes Projekt beendet: Sie hat ihre Lebenserinnerungen aufgeschrieben und als E-Book und Hörbuch herausgebracht. „Vielleicht interessiert das ja jemanden. Ich bin ja irgendwie auch Zeitzeugin“, sagt sie etwas schelmisch bei einem Kaffee in der Kantine der Filmstudios Babelsberg. Gerade kommt sie von einem Job als Synchronsprecherin. „Ich kann einfach nicht aufhören zu arbeiten“, sagt sie.

Geboren wurde Luise Lunow gleich hier um die Ecke. 1932 kommt sie in einer Dachwohnung in der Bäckerstraße, die heute Schornsteinfegergasse heißt, zur Welt. Die Eltern sind einfache Leute, der Vater arbeitet in der Lokfabrik Orenstein & Koppel. „Wir hatten nur drei Bücher zu Hause: ein Gesundheitsbuch, einen Abenteuerroman und den Knigge“, erzählt sie. „Den habe ich als Kind verschlungen und meine Mitmenschen dann beobachtet, ob sie sich auch richtig benehmen.“.

„Es war nicht anders als heute“

Weil sie mehr lesen will, geht sie in die Bücherei. Die Mutter droht: „Kind, du verdirbst die Augen.“ Die Augen hat sie sich nicht verdorben. Schlimmer war der Krieg, der einen Großteil des Buches einnimmt. Sie erlebt 1940 die ersten Bombenangriffe auf Babelsberg, bei denen zwei Nachbarskinder sterben. Sirenengeräusche machen ihr bis heute Angst, sagt sie. 1945 sieht sie, wie die ersten Russen ihre Straße in Babelsberg runtermarschieren. Ihr selbst passiert nichts, die Nachbarin wird erschossen, als sie Tafelsilber in den Keller bringen will. Am Straßenrand in Steinstücken liegen nach Kriegsende noch lange Leichen deutscher Soldaten. „Meine Tante ging hin, nahm ihnen die Marken ab und brachte sie zur Sammelstelle.“ In überfüllten Zügen fahren sie zum Hamstern aufs Land, die Leute hängen draußen an den Türen. „Das war genau so, wie man es heute im Film sieht.“

Dann kommen die Flüchtlinge. Die in den Turnhallen untergebracht werden. „Es war nicht anders als heute“, sagt sie. Später ist sie selbst Flüchtling, als sie 1987 mit ihrem Mann von einem Besuch in Westdeutschland nicht zurückkehrt. Im Übergangslager Marienborn müssen sie einen langen Laufzettel abarbeiten. „Ich weiß, wie man sich als Flüchtling fühlt“, sagt sie. Wie Kanzlerin Merkel das Thema heute anfasst, gefällt ihr.

Irgendwann kehrt die Normalität zurück, Luise geht zur Schule und bekommt durch Zufall kostenlose Ballettstunden von Bekannten angeboten. Sie ist so gut, dass sie eine Ausbildung zur Tänzerin an der Staatlichen Ballettschule Berlin anschließt und schon vor ihrem Abschluss im Ensemble des Hans-Otto-Theaters aushelfen darf, wenn dort mal eine Tänzerin ausfällt. Schauspielunterricht, Bühnenprüfung, sie arbeitet an verschiedenen Theatern, dreht von Polizeiruf bis Praxis Bülowbogen. Aber Theaterarbeit sei ihr immer das Liebste gewesen. Bis heute. „Ich würde gern mehr spielen, es gibt ja tolle Rollen für mein Alter. Aber die Theater haben immer weniger Geld.“ Bis vor zwei Jahren spielte sie noch, arbeitete zum Beispiel im Schlossparktheater bei Dieter Hallervorden.

Ihre kesse Art fällt auf

Alles will sie ausprobieren. Als sie nach der Geburt ihres Sohnes als Schauspielerin pausiert, arbeitet sie als Rundfunksprecherin in Potsdam und Berlin. Erst nachts, dann im Frühprogramm. Ihre kesse Art gefällt, sie darf ihre Texte selbst schreiben, nimmt sogar schlüpfrige Witze aus westdeutschen Kalenderblättern in ihr Programm. Bis heute habe sie nicht verstanden, warum sie das durfte, sagt sie.

Vielleicht ist die Zeit beim Radio der Grund, dass sie bis heute auch eine viel beschäftigte Synchronsprecherin ist. Das sei schon eine besondere Arbeit, sagt sie, nicht jeder kann das. „Man muss reaktionsschnell sein, sich auf die Rolle und die jeweilige Situation einlassen können.“ Sie synchronisierte Annie Girardot, „Josefa“ in „Jakob der Lügner“, eine Ärztin im „Krankenhaus am Rande der Stadt“. Viele US-Schauspieler haben heute ihre Stimme, „Hexe Mania“ in Bibi Blocksberg und „Peters Mutter“ in der neuen „Heidi“-Serie. Manchmal ist sie selbst überrascht, wo sie ihre Stimme hört.

„Auch eine Rosine hat noch Saft“, heißt ihr Hörbuch, ein ganzes Leben in 442 Minuten. Einen Verlag für ein gedrucktes Buch hat sie leider nicht gefunden. „Vielleicht, weil ich nicht so berühmt bin.“

— Luise Lunow: Auch eine Rosine hat noch Saft. 80 Jahre zwischen Ost und West, Bomben und Theater. Erschienen bei XPUB. Auch als E-Book erhältlich, 209 Seiten, 7,99 €.

Steffi Pyanoe

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