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Berlin: Schicksalhaft

Studenten und straffällige Jugendliche spielen Theater – hinter Gittern. Heute ist Premiere

Die Jugendlichen stellen sich im Kreis auf, fassen sich bei den Händen und stimmen ein Lied an. Die Übung soll das Gemeinschaftsgefühl stärken. Anfangs ziemlich ungewohnt, ist das Ritual inzwischen Alltag geworden. Alles andere als alltäglich sind dagegen Ort und Anlass des Ganzen. Im Veranstaltungssaal der Jugendstrafanstalt (JSA) in Plötzensee spielen Häftlinge, Jugendliche aus betreuten Wohnprojekten und Studenten Theater. Titel und Thema des gemeinsam erarbeiteten Stücks ist „Schicksal“.

Theateraufführungen im Gefängis gibt es seit Jahren. Entweder spielen Häftlinge selber oder es kommen Gruppen zu Gastaufritten. Aber dass Gruppen von drinnen und draußen zusammen auftreten, ist neu. Das Projekt hat heute Premiere. Dann stellen die Studenten vom Theaterclub des Carrousel-Jugendtheaters, Jugendliche aus betreuten Wohnprojekten in der Formation „Die Zwiefachen“ und die zehn Häftlinge vom Theaterprojekt „Aufbruch“ ihre Sicht zum Thema Schicksal dar.

Streng genommen geht es bei der Theateraufführung weniger um Kunst, als um Gruppenarbeit. „Für die Häftlinge bedeutet es, etwas geschafft zu haben, was sie sich anfangs nicht zugetraut haben,“ sagt Anstaltsleiter Marius Fiedler. Außerdem sei das Rollenspiel auf der Bühne eine Möglichkeit, Distanz zu sich zu bekommen. Für Regisseurin Christina EmigKönning, die seit einigen Jahren mit Häftlingen Theater macht, ist die Arbeit schon jetzt ein Erfolg. Die Proben waren zunächst oft aufreibend, geprägt von Machtspielen, Wutausbrüchen und Resignation. „Jetzt können sie auch mal still sein und zuhören“, sagt sie. Die Gruppe kommt auch damit klar, dass der 21-jährige Ulf G. von den Zwiefachen einen Transvestiten spielt. „Am Anfang haben sie nur gelacht.“

Heute Abend werden sie gemeinsam Angst vor der ersten Aufführung haben. Für die zehn jungen Männer, die wegen Raub, Körperverletzung oder anderen Delikten Strafen zwischen sechs Monaten und mehreren Jahren verbüßen, wäre allein der Auftritt im Gefängnis eine Mutprobe. Aber nicht nur das, jetzt sieht die Inszenierung vor, dass sie in Boxershort und Rippshirt auf der Bühne stehen. Wie werden die Mithäftlinge reagieren? Das Gefängnispublikum ist dafür bekannt, sich lautstark einzumischen.

Die meisten Insassen genießen im Theaterkurs die Abwechslung vom Gefängnisalltag. Aber der Knast, sagt Sven N., bleibt immer im Hinterkopf. Der 19-Jährige hat schon einige Monate Haft hinter sich und wird wohl noch zwei Jahre bleiben, unter anderem wegen schweren Raubes und Körperverletzung. „Im Theater kann ich positive und negative Gefühle zum Ausdruck bringen“, sagt er. Und zeigen, dass nicht alle „Knastis“ ungebildet sind. „Ich war draußen schon in der Oper und in Theateraufführungen“.

Nach der Probe trennen sich die Gruppen. Für zwei von ihnen führt der Weg durch zwei Schleusen ins Freie. Die letzte Gruppe muss um 21 Uhr in den Zellenräumen sein.

Die meisten Vorführungen von „Schicksal“ sind ausverkauft, Restkarten für den 27. Mai (11, erm. 7 Euro), unter 44049700, letzter Einlass 16.30 Uhr, Friedrich-Olbricht-Damm 40, Charlottenburg, gültiger Ausweis erforderlich.

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