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Idylle oder Ärgernis? Am Urbanhafen sitzen die Kreuzberger gern in der Sonne. Viele Uferwanderer können jedoch beim Anblick des verwahrlosten "Theaterschiffs Tau" schwer entspannen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Schiffsruinen: Wrack ahoi: Schrottschiffe in Berliner Gewässern

Drei Schiffsruinen liegen in Berliner Gewässern vor Anker, locken Randalierer an und ärgern Uferwanderer. Sie zu entfernen ist gar nicht so einfach.

Das Deck der „Iskele“ sieht aus, als habe jemand randaliert, die „Tau“ erinnert an eine Horrorfilmkulisse, und die „Dr. Ingrid Wengler“ ist einfach abgesoffen. Seit Jahren liegen drei Schiffsruinen in Berliner Gewässern vor Anker, locken halbstarke Abenteurer an, verärgern Uferwanderer und beschäftigen haufenweise Juristen. Jetzt könnte der Gordische Seerechtsknoten, an dem die schwimmenden Ruinen hängen, endlich durchschlagen werden. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA) will das „Theaterschiff Tau“, das am Kreuzberger Urbanhafen liegt, spätestens im Herbst abschleppen lassen. „Wir sind einer Lösung sehr nahe“, sagte WSA-Chef Michael Scholz. Bis vor kurzem noch galt eine Lösung als sehr unwahrscheinlich, weil sich das Amt für Schiffswracks nur interessiert, wenn sie den Verkehr auf dem Wasser behindern. Das ist aber nicht der Fall.

Für die Freunde juristischer Spitzfindigkeiten nur so viel: Die „Tau“ könnte gar kein Schiff sein, „im Sinne des Wasserstraßengesetzes“, sondern eine „bauliche Anlage“. Dann griffe die Haftung des Schifffahrtsamts als Eigentümer der Wasserfläche, und der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wäre aus dem Schneider. Ein genialer Kniff, auf den ein Rechtsreferendar des Bezirksamts nach wochenlanger Recherche in Gesetzen und einschlägiger Rechtsprechung gestoßen ist.

Bei den anderen Schiffsruinen liege eine Lösung allerdings noch in weiter Ferne, sagt Scholz. Im Fall „Iskele“, wie die „Tau“ am Urbanhafen vor Anker, sind die Dinge etwas komplizierter. Hier gibt es einen Eigentümer, der öffentlich zu seinem Unglücksschiff steht: Mustafa Yilmaz. Die „Iskele“ brannte vor zwei Jahren ab, „ein Kurzschluss“, sagt Yilmaz. Seitdem verwahrlost das schwimmende Fischrestaurant, und Yilmaz streitet mit den Bezirksbehörden und der Versicherung um seine unternehmerische Zukunft. „Ich bin am Ende meiner finanziellen Kräfte.“ Yilmaz möchte ein neues Restaurantschiff einrichten und in den Urbanhafen bringen, den Lastkahn „Edelweiß“, der früher im Historischen Hafen in Mitte lag. Die Pläne dafür liegen schon fertig auf dem Tisch.

Die „Edelweiß“ zu kaufen und einzurichten, würde rund 500 000 Euro kosten. Doch Geld von der Bank bekommt Yilmaz nur, wenn er auch Geld von der Victoria-Versicherung für die „Iskele“ erhält. Rund 60 000 Euro fürs Abschleppen und Abwracken. Die Versicherung sträubt sich jedoch. Von dem Wrack gehe keine Gefahr aus, heißt es in einer Mail an den Tagesspiegel. „Kosten für die Wrackbeseitigung werden nur erstattet, wenn eine Anordnung der zuständigen Behörde vorliegt und ein unmittelbarer Zusammenhang zu dem Schaden besteht.“ Nach dem Brand sei keine Anordnung erteilt worden. Das holt der Bezirk gerade nach. Etwas spät für einen „unmittelbaren Zusammenhang“.

Bei der „Dr. Ingrid Wengler“, die im ehemaligen Grenzkontrollhafen der DDR vor den Twintowers in Treptow liegt, sind die juristischen Begleitumstände ebenfalls in erheblicher Schieflage. Der Eigentümer, Franz van de Lücht, bezichtigt das Wasser- und Schifffahrtsamt, sein Ausflugsschiff willkürlich abgeschleppt zu haben. Das ist zwar schon 14 Jahre her, aber van de Lücht präsentiert sich als streitbarer Zeitgenosse. Im Internet kann man sein Buch „Jagd auf Existenzgründer – Die gefährlichsten Gegner des Jungunternehmers“ bestellen. Selbst ist der Kapitän nicht zu sprechen. Er sei auf Reisen, erklärt eine Bekannte. Michael Scholz vom WSA wird ihn demnächst auffordern, sein Schiffswrack zu beseitigen. So verlangt es das verwaltungsrechtliche Prozedere.

Van de Lüchts Schiffsruine hat immerhin noch eine politische Wirkung. Sympathisanten der Initiative „Mediaspree versenken“ haben das Wrack für ihre Zwecke instrumentalisiert und an den Bug den Namen „Mediaspree“ gemalt. Gleich zweimal. So kann das umstrittene Städtebauprojekt an der Spree symbolisch als versenkt gelten. Oder zumindest als abgesoffen.Thomas Loy

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