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Berlin: Schillerpark-Bomber offenbar gefasst

Tatverdächtiger soll weitere Anschläge versucht haben. Terroristischer Hintergrund nicht erkennbar In seiner Wohnung fand sich ein fast fertiger Sprengkörper und weiteres Bombenmaterial

Sechs Wochen nach der mysteriösen Bombenexplosion im Weddinger Schillerpark, bei der ein Passant schwer verletzt wurde, hat die Polizei am Donnerstag einen dringend Tatverdächtigen festgenommen. Der 44-jährige Deutsch-Afghane Stephan S. wurde am Freitag einem Haftrichter vorgeführt, der Haftbefehl erließ. Nach Polizeiangaben ist kein terroristisches oder islamistisches Motiv erkennbar. Der allein lebende Hilfsarbeiter soll nicht in religiösen Kreisen verkehrt haben, sagte der Leiter des polizeilichen Staatsschutzes, Oliver Stepien.

Dem Tatverdächtigen werden derzeit drei Taten zur Last gelegt. Neben der Rohrbombe im Schillerpark soll er ähnliche Konstruktionen am Nordufer im Mai 2011 und am Dohnagestell im Juni 2007 abgelegt haben. Auch diese beiden Tatorte liegen in unmittelbarer Nähe der Wohnung des Mannes, sagte Stepien. Ermittelt wird noch zum Fund eines Sprengsatzes, wiederum am Dohnagestell im Juni 2008. Diese Sprengsätze wurden gefunden, bevor sie explodierten.

Bei der am Donnerstag begonnenen Wohnungsdurchsuchung wurden nach Polizeiangaben eine weitere, nahezu fertiggestellte Rohrbombe gefunden. „Es fehlten nur wenige Handgriffe“, um die Bombe zündfähig zu machen, berichtete ein Beamter. Die ebenfalls mit einem Bewegungszünder ausgestattete Konstruktion wurde von Sprengstoffexperten gesichert und abtransportiert. Wo der Mann sie ablegen wollte, ist unklar. In der Wohnung wurden nach Polizeiangaben „tausende“ elektronische Bauteile gefunden, aber nur wenig sprengstoffverdächtige Substanzen, vermutlich Schwarzpulver. Über diese zum Teil ausgefallenen Spezialschalter kam ihm die Polizei bei Ermittlungen in Elektronikgeschäften auf die Spur. Die sonstigen Teile der Bombe kaufte sich der Tatverdächtige in Baumärkten.

Das Motiv ist unklar. Der bislang polizeilich nicht in Erscheinung getretene Mann schwieg in den bisherigen Vernehmungen. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen wegen versuchten Mordes und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft rechtfertigen die „Heimtücke“ der Taten und der Einsatz „gemeingefährlicher Mittel“ die Ermittlungen wegen versuchten Mordes.

Der Tatverdächtige wurde am Donnerstagnachmittag von einem Spezialeinsatzkommando an seinem Arbeitsplatz in Hohenschönhausen festgenommen, er arbeitete dort für eine Zeitarbeitsfirma für einen Autozulieferer. Dort soll er aber keinen Zugang zu Materialien für den Bombenbau gehabt haben, hieß es bei der Polizei.

Von Nachbarn wird der Mann, der eine deutsche Mutter hat, als Sonderling beschrieben. In seiner Wohnung, die sich in einem ungepflegten Altbau befindet, wohne er schon lange, man habe ihn aber kaum gesehen, auch habe er nur selten Besuch gehabt.

Der bei der Explosion im Schillerpark verletzte Mann hatte an dem Sonntagnachmittag Mitte August seinen Hund ausgeführt und das in eine Aldi-Plastiktüte verpackte Rohr aus Neugier angehoben. Der 58-Jährige lag längere Zeit im Krankenhaus, unklar ist immer noch, ob seine Sehkraft dauerhaft beeinträchtigt bleibt.

Unklar ist noch, wieso die am Nordufer abgelegte Rohrbombe nicht zündete. Wie berichtet, hatte eine Passantin den verdächtigen und mit Kabeln versehenen Gegenstand ebenfalls in einer Tüte an der Böschung des Kanals entdeckt und die Polizei gerufen. Die Beamten konnten die Bombe damals entschärfen, am Tag danach hatte das Präsidium mitgeteilt, dass die Eigenkonstruktion sprengfähig gewesen sei. Die Explosionswirkung habe jedoch nur für die unmittelbare Umgebung ausgereicht – also für denjenigen, der die Selbstbaubombe hochhebt. Jörn Hasselmann

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