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Berlin: Schily will Ruhe, Thierse Provokation

BERLIN .In der Bannmeile um den Bundestag sind "öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge" nicht erlaubt.

BERLIN .In der Bannmeile um den Bundestag sind "öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge" nicht erlaubt.Wie wird das in Berlin, wenn das Parlament ab 1999 im Reichstagsgebäude tagt? In der vergangenen Wahlperiode wollten SPD und Grüne, anders als die Union, nach dem Umzug auf die Bannmeile eigentlich verzichten.Der neue Innenminister Otto Schily (SPD) aber will nach dem Umzug von Bonn nach Berlin weiter eine Bannmeile um den Bundestag haben, während Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) das Parlament möglichst offenhalten möchte.

Schily sagte am Montag bei einem Besuch seines Amtssitzes am Spreebogen, er persönlich sei für eine Bannmeile, "damit es nicht zu Pressionssituationen" am Parlament kommt.Entscheiden müsse diese Frage aber der Bundestag, nicht die Exekutive."Das ist Sache des Parlaments", sagte Schily.

Die neue Mehrheit im Bundestag hat bislang noch nicht entschieden.Das Thema steht für Anfang 1999 auf der Tagesordnung.Der neue Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat sich gegen ein "überzogenes Bannmeilengesetz" ausgesprochen.Ein riesiges Areal in der Mitte Berlins zu sperren, würde das Gegenteil von dem bewirken, was gewünscht sei - nämlich nicht Ruhe, sondern Provokation, meint er.Ein Sprecher des Bundestags sagte dazu, "es muß jedenfalls sichergestellt sein, daß der Zugang zum Parlament offen ist".

Schily legte sich am Montag nicht fest, wie weit er die Bannmeile um das Reichstagsgebäude ziehen würde.Auch diese Festlegung sei Sache des Parlaments.In Frage steht, ob auch das in unmittelbarer Nähe des Bundestags liegende neue Bundeskanzleramt einbezogen werden soll.Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) hatte sich für eine solche Lösung mit ausgedehnterer Bannmeile ausgesprochen.

Bonns Ex-Polizeipräsident Michael Kniesel, der Erfahrungen mit dem Bannmeilengesetz hat, bezeichnete die Regelung auf einer Expertenanhörung vor zwei Jahren als überflüssig.Sie sei nur eine "fiktive Linie", die "Chaoten nicht standhält" und bei Demonstrationen wenig nutze.

Wie am 26.Mai 1993.An diesem Tag glich der Bundestag einer belagerten Festung.Drinnen, im Parlament, stimmten die Abgeordneten über die Einschränkung des Asylrechts ab.Draußen demonstrierten Tausende dagegen.Unter Kniesels Führung schützten 4000 Polizisten den von der Bannmeile festgelegten demonstrationsfreien Raum.Damals kamen dennoch viele Abgeordnete nicht durch.Die Demonstranten hatten nämlich einfach die Bannmeile umlagert und ließen niemanden rein.Einige Parlamentarier flogen per Hubschrauber ein.Andere brachte das Rheinschiff "Filia Rheni" von der Rückseite in den Bundestag.

Daran mag sich auch Otto Schily bei seinem Plädoyer für die Bannmeile erinnert haben, als er aus dem zwölften Stock seines Amtsgebäudes auf die Spree herunterblickte.Jedenfalls freute er sich, daß sein Berliner Amtssitz wie das Reichstagsgebäude direkt am Fluß liegt."Wir haben auch einen Wasserweg zum Parlament", stellte er fest, und es sah aus, als verschaffe das dem Innenminister auch ein Stückchen Erleichterung.

CARSTEN GERMIS

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