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Berlin: Schlag nach bei Shakespeare

Christian Leonard will ein Theater wie zu Zeiten des Dichters bauen. Gestern war Spatenstich fürs „Globe Berlin“

„Alle Themen, die Menschen bewegen, finden sich bei Shakespeare, zu jeder heutigen Nachricht gibt es ein Shakespeare-Zitat.“ Die Frage nach der Aktualität des englischen Dramatikers stellt sich für Christian Leonard auch 440 Jahre nach dessen Geburtstag nicht. Er ist begeistert und inspiriert von Shakespeare. Man könnte auch sagen: besessen. Seit fünf Jahren kämpft der Schauspieler um die Verwirklichung seines Traums: Er will in Berlin ein Globe-Theater bauen, nach dem Vorbild von Shakespeares legendärem Volkstheater. Dass er dafür seine Karriere als Theater- und Filmschauspieler vernachlässigte, sich zeitweilig am Rand des Ruins bewegte und endlos Klinken putzen musste, empfindet der pragmatische Idealist als normal: „Ich würde es immer wieder tun.“

Der Einsatz hat sich gelohnt, seit 1999 schon existiert unter seiner künstlerischen Leitung die „Shakespeare Company Berlin“. Die Truppe junger Schauspieler interpretiert Shakespeare mit frechem Respekt, ohne technischem Zubehör und ohne avantgardistischem Überbau. Sinnlich, frisch und voller Musik sind die Stücke , und das gefällt einem wachsenden Publikum.

Was als Volkstheater bisher nur im Spiel seinen Ausdruck fand, soll im „Globe Berlin“ endlich auch seinen Platz finden. Finanziert und gebaut ist das private Projekt freilich noch nicht. Aber die Pläne sind soweit ausgereift, dass sich Christian Leonard zuversichtlich gibt. Der Baubeginn im Herbst 2005 steht für ihn außer Frage. Auch wenn das Sammeln der Sponsorengelder erst jetzt so richtig losgeht, zweifelt er keine Sekunde am Erfolg.

Christian Leonard gesteht lächelnd ein, dass er in letzter Zeit immer mehr zum Manager in eigener Sache geworden ist. In Zeiten leerer öffentlicher Kassen ein Theater zu gründen, erscheint waghalsig, ist für ihn aber kein Widerspruch. Er stellte sich der Frage, wie man Kultur vermarkten kann, und kam zu dem Schluss, man müsse „eben ein Segment füllen, das es noch nicht gibt“. Und tatsächlich, ein Theater, das sich als Ort der Begegnung und somit als Volkstheater im besten Sinne versteht und wo dem abendlichen Kunstgenuss auch kulinarisch nachgeholfen werden soll, gibt es noch nicht.

Mit seiner Mischung aus wirtschaftlichem Kalkül und künstlerischer Begeisterung hat Christian Leonard nicht nur viele Partner und Förderer gewonnen, sondern auch den Regierenden Bürgermeister überzeugt. Auf dessen Initiative hin wurden 60 mögliche Standorte in Berlin untersucht. Mit dem Spreeufer an der East Side Gallery ist das Gelände gefunden, das mindestens sieben Jahre lang das Theater beheimaten soll. Gestern gab es den ersten – symbolischen – Spatenstich, die Premiere der Inszenierung von „Der Sturm“ wird am 2. Juni in einem vorläufigen Theaterzelt gefeiert. Auch wenn das Volkstheater ein altes Vorbild hat – die Architektur des „Globe Berlin“ wird hochmodern. Der transportable Rundbau für 750 Besucher wird aus Holz, Stahl und Glas bestehen und durch ein verschließbares Dach vor Regen schützen. Ein Theater zum Zusammenlegen – das klingt abenteuerlich, hat aber einen pragmatischen Grund. Nur so gab es vom Bezirksamt die Zusage für den besonderen Standort am Spreeufer. Und dass sein Theater kein festes Fundament bekommen soll, stört Christian Leonard überhaupt nicht. Er ist zuversichtlich, denn er weiß: „Shakespeare funktioniert zu jeder Zeit, mit jedem Publikum und an jedem Ort.“

Judith Hyams

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