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Berlin: Schlange liegen

Unbedingt noch die MoMA–Show sehen – dafür übernachten die Menschen sogar vor der Nationalgalerie

Die Ersten kommen schon vor Mitternacht – jetzt, da die MoMA-Ausstellung nur noch drei Wochen zu sehen ist, übernachten immer mehr Menschen vor der Neuen Nationalgalerie. Weil die Warteschlangen so lang sind, ist dies oft die einzige Möglichkeit, um die MoMA-Show noch einmal in Berlin zu besichtigen.

Auch Sven Lorenz opfert seine Nachtruhe für die Kunst. Es ist Donnerstag früh, die Uhr seines Handys zeigt „1:38“. Der 17-Jährige kommt aus Hessen, und er kommt im Hawaii-Hemd. Lorenz breitet den Schlafsack aus, legt Croissants und eine Tafel Schokolade daneben. „Mein Frühstück“, sagt er. Für die Morgenwäsche hat er noch ein Deodorant dabei, nur eine Zahnbürste, die hat er nicht.

Fast eine Million Menschen haben die MoMA-Show schon gesehen. Bis zum 19. September sind die Kunstwerke noch in Berlin ausgestellt, dann kehrt die Ausstellung zurück nach New York.

Es bleibt also nicht mehr viel Zeit. Und deshalb legen sich so viele Menschen auch nachts vor die Tür, um morgens nicht abgewiesen zu werden. Lorenz, der 17-Jährige aus Hessen, ist für zwei Tage angereist. Am Mittwochnachmittag war er schon einmal hier, doch da wurde er nicht mehr hineingelassen. Also hat er gleich zwei Karten gekauft und sich mit dem Schlafsack vor die Nationalgalerie gelegt. Drinnen brennt nun schwach das Licht, über die Potsdamer Straße donnern die Autos.

Je näher der Morgen rückt, um so mehr Menschen finden sich vor der Nationalgalerie ein. Mit Schlafsäcken und Kaffee. Den wird auch Lorenz noch erhalten. Seine Patentante, die mit ihm die Ausstellung besuchen wird, bringt frischen Kaffee mit; das habe sie versprochen, sagt er. Lorenz liegt schließlich auch für sie hier auf dem Pflaster. Seine Tante habe ein kleines Kind, da sei Camping auf Steinplatten eine Zumutung. Immerhin bekommt die Tante ein schlechtes Gewissen und bringt noch kurz vor drei Uhr morgens eine Isomatte vorbei.

Und natürlich gibt es auch den Nachtwächter. Jürgen Lehmann heißt der, und er sagt: „Die Stimmung in der Nacht ist wie bei einem Laubenpieperfest.“ Neulich hätten sogar mehr als 20 Menschen in ihren Schlafsäcken vor der MoMa-Show übernachtet, wird berichtet. Stühle, Tische und Decken – die meisten Camper sind gut ausgerüstet. Nachtwächter Lehmann hat auch einen Tipp für Lorenz: Er solle seinen Schlafplatz an die Potsdamer Straße verlagern – neben den Haupteingang. Da sei es zwar lauter, aber dann könne am Morgen wenigstens niemand vordrängeln, während er schläft.

Die Kameras des Sicherheitsdienstes haben alles im Blick, auch die Außentoilette bleibt geöffnet. Am Morgen, um 8 Uhr, öffnen sich die Eingangstüren. Es geht endlich hinein.

Anja Casper

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