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Sag zum Abschied leise Tschüss. Deyu Tsai (2.v.r.) und ihre Freunde sind aus Taiwan nach Berlin gekommen - und happy, sich den Pergamonaltar noch anschauen zu können.

© Björn Kietzmann

Schlangen vorm Pergamonmuseum: Drei Stunden anstehen? Gern!

Drei Stunden in der Warteschlange für die Historie? Machen viele gerade gern auf der Museumsinsel. Denn der Saal mit dem Pergamonaltar ist bald bis 2020 zu - wegen Sanierungsarbeiten.

Mark und Mark machen jetzt mal kurz Party. Drei Stunden lang haben sich die Belgier nur in Tippelschritten vorwärtsbewegt. Gesprächstechnisch haben sie in der Schlange auf der Rückseite des Pergamonmuseums so ziemlich alles durch, was man so unter Kumpels besprechen kann. „Ein bisschen ärgern wir uns, dass wir im Internet diese Zeitfensterbuchung fürs Museum nicht gefunden haben“, sagt Mark Gryffroy und zeigt auf die von der Wartegemeinschaft neidisch beäugten Besucher, die seitlich vorbei und sofort rein dürfen. Aber endlich nimmt der Museumsmitarbeiter wieder die Kordel für den nächsten Schwung beiseite, und auch Mark Siroyt verschwindet nun auf seiner Berlin-Visite im Seiteneingang Richtung Zeus, Athena und Apollon.

Ab 28. September kein Einlass mehr

Das Berliner Phänomen der gemeinschaftlichen Vorfreude wird auf der Museumsinsel linkerhand der Alten Nationalgalerie noch bis mindestens 27. September zu beobachten sein. Am 28. September nämlich muss der berühmte Saal mit dem Pergamonaltar wie auch der Nordflügel wegen Umbau- und Sanierungsarbeiten nach dem Masterplan geschlossen werden. Und zwar nicht etwa ein paar Monate, sondern voraussichtlich bis 2020. Dann, wenn die jetzt geborenen Babys schulpflichtig sind – sprich: eine gefühlte Ewigkeit. Der Südflügel des Pergamonmuseums mit dem Ischtar-Tor, der Prozessionsstraße und dem Markttor von Milet sowie dem Museum für Islamische Kunst bleiben weiterhin geöffnet.

Besucher glühen innerlich vor Begeisterung

„Guckt mal, jetzt müssen sie die einzelnen Stücke auch durchnummerieren, damit sie Ahnung haben, wo was ist“, erklärt derweil Gerlinde Kunz aus Bergisch-Gladbach ihren Enkeltöchtern Hannah, 10, und Marie, 8. Und dass da den Göttern Opfergaben dargebracht wurden. Wer sich Zeit für die Infotafeln nimmt, erfährt zudem, dass der Pergamonaltar als eines der berühmtesten Monumente hellenistischer Kunst während der Regierungszeit von König Eumenes II. (197–156 vor Christus) errichtet wurde. Die gesamte Tempelanlage befand sich im Ort Pergamon auf dem heutigen Gebiet der Türkei. Der deutsche Ingenieur Carl Humann gewann die Berliner Museen für Ausgrabungen, nachdem er im Auftrag der türkischen Regierung 1864/65 dort etwas vermessen hatte.

Bloß nicht am Weltkulturerbe brunchen

Wer nun noch dichter an die Historie heran will und mit seinem Smartphone Pferdegespannen, Kentauren, Greifen und anderen Fabelwesen gefährlich nahe kommt, wird von den Museumswachen freundlich gebremst. Manche Besucher kletterten gar unterm Handlauf hindurch, berichtet ein Aufseher, und wollen am Weltkulturerbe picknicken. Das geht natürlich nicht. Henrik Schliemann, 42, Arzt aus Köln, weiß das, er ist extra mit einem Kollegen noch mal zum Altar gereist, er kann die mesopotamische Kultur rauf und runter zitieren und glüht vor Begeisterung. Wie Deyu Tsai, 20, aus Taiwan. Die Buchhaltungsstudentin ist neidisch, „dass in Berlin Geschichte und Architektur von Generation zu Generation weitergelebt werden“. Bei ihr daheim ist das älteste Zeugnis der Geschichte nicht 2000, sondern gerade 400 Jahre alt. Die Pergamonfriesplatten hingegen haben in ihren Jahrtausenden schon so einiges über sich ergehen lassen müssen, wie die kriegsbedingte Auslagerung 1941 und den „hastigen Abtransport am Ende des Zweiten Weltkrieges“, nach Sankt Petersburg.

Usbekistan hält auch durch

Das alles werden auch Izzat Hamzaev und Guljana Umurzogova, beide 24, aus Usbekistan bald lesen können. So in etwa dreieinhalb Stunden, wenn man ihre Position in der Schlange richtig einlotet.

„Wow“, sagt die Studentin, als sie von der Wartezeit erfährt, aber eine Beziehungskrise gibt es nicht, zumal ihr Freund auch Praktikant bei der Berghof-Stiftung – für Frieden und Konfliktlösung – ist. Sie haben ja Zeit, und zwischendurch holt mal einer Eis. Ein paar Schritte weiter hinten wird sich Familie Schmidbaur aus Augsburg aber schnell einig. „Ihhh, drei Stunden stelle ich mich jetzt nicht in die Schlange“, sagt Tochter Simone. Gesagt, getan.

Pergamonmuseum, auf der Museumsinsel, Sonntag 10 bis 18 Uhr. Ohne Schlange und für elf statt 12 Euro rein via Internet: www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/pergamonmuseum/home.html

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