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Berlin: Schlecht gepolstert

Kleinere Möbelfachgeschäfte geraten an den Rand des Ruins

Vorwurfsvoll blickt das Löwenbaby zwischen Zeitungsständern aus Messing und Kerzenhaltern auf die rote Reklame am Schaufenster des Möbelgeschäftes Polke an der Berliner Straße. Es ist aus Porzellan und seit Anfang der Woche rund 30 Prozent billiger zu haben, denn auf dem roten Schild steht „Räumungsverkauf“. Nach über 30 Jahren gibt der Familienbetrieb auf. Nur wenige Damen verlaufen sich an diesem Vormittag zwischen den Ohrensesseln, Biedermeier-Buffets und Rosenholz-Kommoden. Alles Handarbeit. „In einer Stadt, in der Theater und Museen geschlossen werden, verlieren die Menschen den Sinn für das Schöne“, sagt Inhaber Jörg Pokorny, der den Familienbetrieb vor vier Jahren von seinem Onkel Siegfried Polke übernommen hat. Und genau das sei das Problem.

„Den Menschen fehlt die Möglichkeit, sich zu inspirieren, der Wunsch, sich schön einzurichten, entsteht erst gar nicht.“ Pokorny sieht sein Geschäft in einer Reihe Berliner Institutionen, die in den vergangenen Jahren das Handtuch werfen mussten. Kiepert wäre da zum Beispiel zu nennen und natürlich eine Reihe weiterer Möbelgeschäfte. „Hütters Welt“ an der Grenzallee gab vor zwei Jahren auf, „Möbel-Walther“ hatte im Mai mit einem Liquiditätsengpass zu kämpfen, zahlreiche kleinere Möbelläden mussten schließen. Gab es 1995 in Berlin noch 407 Möbelgeschäfte, sank deren Zahl in den vergangenen Jahren auf rund 250, so Jan Holzweissig vom Gesamtverband des Berliner Einzelhandels. Der Umsatz ging im gleichen Zeitraum um 15 Prozent zurück. „Die Kleinen trifft die schlechte wirtschaftliche Lage dabei härter als die Großen“, sagt Holzweissig. Noch etliche Möbelgeschäfte werden in diesem Jahr aufgeben. Schon das letzte Jahrzehnt sei schwierig gewesen, sagt Pokorny. Naürlich sei nicht nur die kulturfeindliche Politik, sondern auch die gesamtwirtschaftliche Lage schuld. „Viele unserer Kunden haben in den vergangenen Jahren Geld an der Börse verloren“, sagt Pokorny.

In einer Zeit, in der vor allem Schnelligkeit und Flexibilität zählen, richten sich nur noch wenige auf Dauer ein. Das schadet Pokorny, doch andere profitieren. So plant Ikea zwei neue Filialen in Berlin. Doch auch Pokorny will nicht aufgeben. Noch bis zum 2. September läuft sein Räumungsverkauf. Dann folgt eine Denkpause. „Uns wird es weiter geben, aber in anderer Form“, sagt Pokorny. Vielleicht werde man dann auch weniger aufwändig gearbeitete Waren ins Sortiment aufnehmen, die dann entsprechend günstiger verkauft werden könnten. akl

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