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Berlin: Schloss Britz: Frisch gestrichen, weil der Kanzler kam

So schnell ist Bezirkspolitik selten: Innerhalb weniger Tage erhielt das Schloss Britz einen neuen Anstrich. Und dann, welch Zufall, kam der Kanzler und dinierte mit internationalen Gästen.

So schnell ist Bezirkspolitik selten: Innerhalb weniger Tage erhielt das Schloss Britz einen neuen Anstrich. Und dann, welch Zufall, kam der Kanzler und dinierte mit internationalen Gästen. Nun schrillen die Telefone, und im Rathaus sind Stadträte und Bürgermeister in Erklärungsnot. Was böse Stimmen behaupten, dass allein wegen eines Fototermins des Kanzlers 100 000 Mark aus der Bezirkskasse geflossen seien, ist demnach falsch. Der neue Anstrich sei seit langem geplant, sagte Kulturstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD), der auch Kurator der Kulturstiftung des Britzer Schlosses ist. Bezahlt wurde die Farbe aus dem Etat für bauliche Unterhaltungen, aus dem auch das Geld für Schulrenovieren kommt. Etwas forscher klingt da die Version des Finanzstadtrates Michael Freiberg (CDU): "Eine Imagekampagne. Denn wir müssen doch von der Vorstellung wegkommen, Neukölln bedeute vor allem das größte Sozialamt Deutschlands."

Die Fakten zur Pinselaffäre: Ende April kam laut Freiberg vom Kanzleramt eine Anfrage, ob der Ort für ein Essen mit Delegierten der Europäischen Sozialdemokraten zur Verfügung stehe. Dann guckte ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes vorbei. Aufgefallen sei dabei, dass der alte Anstrich etwas fleckig sei, sagte eine Sprecherin des Amtes. Keineswegs aber habe man auf neue Farbe gedrungen.

Brisanz gewinnt der neue Glanz des Schlösschens durch die Finanzmisere des Bezirks. Denn Streichaktionen kennen die Neuköllner - doch sind die meistens anderer Natur. "Wir haben Schulen, da müssen Bürgersteige und Höfe gesperrt werden, weil Fassadenteile bald herabfallen", moniert etwa die grüne Bezirkspolitikerin Petra Wojciechowski. Finanzstadtrat Freiberg gähnt aus dem nächsten Haushalt ein Loch von 30 Millionen Mark entgegen. Er jedenfalls hofft, dass des Kanzlers Beispiel Schule macht und es nun recht bald viele Buchungen für das Britzer Schlösschen gibt. Mit einem Unterschied: Dass es zahlende Gäste sind.

Ole Töns

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