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Diese Widderköpfe wurden nach Gipsmodellen möglichst original von den Bildhauern kopiert.

© Thilo Rückeis

Schlossbauhütte in Spandau: Handarbeit fürs Humboldt-Forum

Am Rand der Altstadt von Spandau formen Bildhauer unbemerkt zierliche Damen und grimmige Widder fürs Schloss. Ein Werkstattbesuch.

Möbel-Manne jagt im Blaumann seinem Dackel hinterher. Antiquitäten bietet er in einer der Hallen an, die in Reih und Glied aufgestellt Platz für Gewerbe bieten: Hier die Lackiererei, da „Geralds Garage“.

Klimatechniker und Schrauber sind hier im Einsatz, nicht weit entfernt von der Altstadt Spandau. Und ganz hinten, neben einer verlassenen Tankstelle der britischen Armee, arbeiten still und unbemerkt Bildhauer an der Vollendung von Europas größtem Kulturbau: am Schloss im Herzen von Berlin.

Die „Schlossbauhütte“ in Spandau ist ein einzigartiges Projekt: Putten, Kartuschen mit den herrschaftlichen Insignien der Preußen-Könige, Girlanden und Blumendekor, Adler und Löwen, Jupiter und Atlanten, die verstrickt sind im Kampf mit dem Schicksal und den Menschen schon mal das Leben zur Hölle machen, kurzum, das ganze Bildprogramm, das die Fassade des Hauses am Schlossplatz 1 schmückt bis hinauf zu ihrem höchsten Punkt, der Laterne, auf der Kuppel: das alles wird hier modelliert, geformt, gegossen und in Sandstein geschlagen – alles in Handarbeit.

Arbeit der schweißtreibenden Art

Der Bildhauer am Eingang nickt nur kurz zur Begrüßung aus der Tiefe seines Campingstuhls heraus. Pause. Ein „Erdinger“ ist griffbereit, natürlich alkoholfrei. Da bleiben der Kopf klar und die Hände ruhig. Denn ein falscher Hieb hinterlässt unschöne Kerben im Sandstein und eine Korrektur macht viel Arbeit extra, solche der schweißtreibenden Art.

Aber halt mal, ist das Schloss nicht längst fertig? Von den Linden aus betrachtet, sieht die Fassade mit den Fenstern unter feinen Sandsteingiebeln eigentlich vollendet aus. Gibt es überhaupt noch etwas zu tun?

„Aber sicher, wir müssen noch mal richtig ran“, sagt Bertold Just. Er ist der Chef der Berliner Schlossbauhütte und selbst Bildhauer. Für diesen Job nahm er zehn Jahre Urlaub von seinem Arbeitgeber, der Kunstformerei in Charlottenburg, die zu den Staatlichen Museen gehört.

In seinen Auftragbüchern sind zurzeit 16 Figuren, die im berühmten Schlüterhof des Schlosses aufgestellt werden. Weitere zehn Figuren für das Portals III des Schlosses sind außerdem bestellt. „Und dann kommt noch die Laterne auf der Kuppel“, sagt Just. Noch so ein „Riesenprojekt“, weil dort die ganze klassizistische Ornamentik aufgeboten werden muss, samt Baldachinen und Figurenschmuck.

Wissen, wie man Schlösser baucht

„Wir wissen jetzt, wie man Schlösser baut“, sagt Just, und das sei ziemlich einzigartig. Für die Rekonstruktion des Stadtschlosses in Potsdam sei keine vergleichbare Werkstatt aufgebaut worden wie die hier in Spandau. Der Vorteil der Schlossbauhütte liegt darin, dass über Jahre hinweg Wissen und Technik vertieft, verfeinert und angesammelt werden.

Ziel ist eine möglichst genaue Rekonstruktion der Originale, von denen es überwiegend nur noch historische Aufnahmen gibt. Hinzu kommt, dass das, was erhalten ist, oft historisch überformt ist. Einer der Atlanten, die den Balkon des Liebknechtsportal am Staatsratsgebäude schultern, zum Beispiel.

Bevor das Portal in den Plattenbau eingefügt wurde, wurde der beschädigte Koloss geflickt, aber so notdürftig, dass die Arbeit in Just Augen keine Gnade findet. Dessen Nachbildung für das Schloss wird originaler sein als das „Original“.

Sie überragt Just um mehrere Köpfe und ist mit einem amputierten Arm in einen Holzkiste gepackt. „Der Arm ist wieder dran, wenn sie fertig im Schloss steht“, sagt Just. Die Monumentalskulptur ist Ergebnis monatelanger Arbeit, die mit einer Gipsvorlage beginnt, die in Ton übertragen wird, weil sich der besser formen lässt.

Von dem Ton-Modell ziehen Handwerker einen Silikon-Abdruck, der wie ein Negativ dazu dient, einen detaillierten Gipsabdruck zu schaffen. Diesen erst übertragen Bildhauer in Sandstein.

In der Schlossbauhütte wird modelliert, geformt, gegossen und in Sandstein geschlagen.
In der Schlossbauhütte wird modelliert, geformt, gegossen und in Sandstein geschlagen.

© Ralf Schönball

Am Rande der Werkstatt befindet sich das „Lapidarium“, ein prall gefüllter Raum voll verwitterter Preziosen: Widderköpfe, ein Frauen-Kopf mit abgeschlagener Nase und zahllose Fragmente von Skulpturen, Säulen und Sandstein-Ornamenten. Sie werden auch einen Platz im Schloss finden, wenn es eröffnet, als Teil der Dokumentation der Geschichte des Ortes, zu der auch ein archäologisches Fenster gehört mit Blick auf den früheren Hühnerstall im Schlosskeller und vielleicht auf die Sprenglöcher, in die DDR-Arbeiter Dynamitstangen schoben, die den Hohenzollern-Bau zerstörten.

Das Schloss füllt sich, die ersten 20 Großskulpturen werden in diesem Jahr aufgestellt, Südseeboote aus dem Ethnologischen Museum segeln in diesem Monat ein. „Wir haben hier noch Arbeit mindestens bis 2019“, sagt Just.

Was aber ist, wenn das Schloss eröffnet, Ende nächsten Jahres? Schade wär’s, wenn die Handwerkskunst und die Erfahrungen mit der Nachbildung historischer Figuren verloren ginge, findet Just. „Wir sind sehr tief eingestiegen“, sagt er, fast keine barocke Figur war vollständig erhalten gewesen, als die Rekonstruktion begann. Aber wer baut sich heute noch ein Schloss?

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