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Berlin: Schlussakkord

Das Ehepaar Brown spielt bei den Berliner Symphonikern, die der Senat gestrichen hat

Wenn es so kommt, wie alle sagen, müssten sie wieder bei Null anfangen. Sie könnten ja nichts außer spielen, Fachidioten seien sie. Susanne BaumannBrown lacht auf, kurz und spitz: „Na ja, Würstchen könnte ich wohl immer noch verkaufen.“ Sie glaubt keine Sekunde, dass es so kommt. Es wäre zu schrecklich.

Die Türen zum gelbbraunen Holzhaus auf der Lichtung sind offen, es riecht nach Sand, Wald, Ferien. Hier, am Rande von Königs Wusterhausen, wohnen Susanne Baumann-Brown, ihr Mann Barnaby Brown, die zwei Söhne und seit neuestem Baby Emily. Hier wohnen sie seit vier Jahren. Wenn es wirklich so kommt, wie alle sagen, ist damit bald Schluss.

Die Browns arbeiten bei den Berliner Symphonikern – sie Geige, er Bratsche –, bei jenem Orchester, dem der Senat ab kommender Spielzeit die Subvention von 3,1 Millionen Euro gestrichen hat. Nun doch. Zwei Mal hatte er schon gedroht.

Gespart würde damit gar nichts, sagt Susanne Baumann-Brown. „Das ist doch Show.“ Das Orchester sei leicht zu kippen gewesen, sagt sie. „Wir sind Subventionsempfänger, an das Geld kommt man leicht heran.“ Früher galt ihr Job als sicher. Seit 1980 ist Barnaby Brown bei den Symphonikern. Er ist Engländer, hat in Manchester studiert. Susanne Baumann kam 1990 aus Mannheim nach Berlin, sie spielte vorher am Nationaltheater. Die beiden lernten sich im Orchestervorstand kennen. Als vor zwölf Jahren das erste Mal über Subventionskürzung geredet wurde, verpflichtete sich das Orchester zur ausgedehnten Jugendarbeit. „Wir haben damals aber schon überlegt, ob man unter solchen Bedingungen eine Familie haben kann“, sagt Barnaby Brown.

Sie konnten, und als das zweite Kind da war, zogen sie nach Königs Wusterhausen. Das Grundstück gehörte einer Tante von Susanne Baumann-Brown. Als Kind hatte sie dort ihre Ferien verbracht. Opas Bienenhaus stand da, in der Nähe ist ein See, es war ein Paradies, sagt sie. Das wurde es nun wieder. Fürs Fertighaus verschulden sie sich, aber sie sind ja Doppelverdiener. Sie finden es auch okay, als den Symphonikern das 13. Gehalt gestrichen wird.

Als Susanne Baumann-Brown nach Berlin kam, wohnte sie in der Nähe vom Checkpoint Charlie in einer Sozialwohnung. Ihr Mann sagt, dass sie da ja vielleicht bald wieder hinziehen könnten. Er lacht. Nur ein Scherz. Für die Browns gibt es kein einziges Argument für das Ende der Symphoniker. Das macht es so schlimm und so wenig akzeptabel. Sie sagen, dass die Symphoniker bleiben werden, dass es sinnlos sei, sie zu schließen, dass sie doch erfolgreich seien und am wirtschaftlichsten von allen Berliner Orchestern, dass sie mit ihrem „Klingenden Klassenzimmer“ in Schulen Basisarbeit machten und sie zwar von der Kategorie nur ein B-Orchester sind, aber so gut spielen wie ein A-Orchester und trotzdem nur wenig Eintritt nehmen. Sie sagen, dass der Senat Kultur von unten abbaut und sie nur für Eliten übrig lässt.

Sie sagen das alles nicht zum ersten Mal, es gab Versammlungen, Beratungen, Sitzungen, und sie sagen es voller Emphase. „Wir müssen nur laut schreien“, sagt Barnaby Brown. „Wir geben die Hoffnung nicht auf.“ Wie könnten sie auch. Es gibt für die Symphoniker keinen Sozialplan. Aber es gibt eine Regel in Deutschland, nach der Orchestermusiker nur eingestellt werden, wenn sie unter 35 sind. Das trifft bei den Symphonikern auf eine Hand voll Leute zu. Aber sie wollen nicht jammern. Mehrmals sagen sie, dass in Deutschland vier Millionen Menschen arbeitslos sind. Es geht also.

Wenn die Symphoniker aufhören, werden es wohl 52 Arbeitslose mehr sein. Das sind aber auch Leute, die dann in Berlin keine Einkommenssteuer mehr zahlen. Das ist außerdem ein Orchester, das keine Werbung mehr braucht, keine Saalmiete mehr zahlt, keine Zuhörer mehr anlockt, die nach dem Konzert vielleicht noch was trinken gehen. Der Orchestervorstand hat mal versucht, das auszurechnen und kam zu dem Resultat, dass netto nur 250000 Euro gespart würden.

Ab August, sagen die Browns, sitzen sie theoretisch auf der Straße. Im Moment sucht eine Fundraising-Agentur nach Sponsoren, Bürger haben zigtausende Protestbriefe geschrieben. „Wir werden nicht trauernd in der Ecke sitzen“, sagt Barnaby Brown. Am 4. September wollen die Symphoniker beim Museumsinselfestival ihre nächste Spielzeit eröffnen. Senat hin oder her.

Heute, 16 Uhr, spielen die Symphoniker im Konzerthaus (Mozart, Mendelssohn- Bartholdy) und am 6. Juni, 16 Uhr, in der Philharmonie. Karten: 11 bis 25 Euro.

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