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Berlin: Schmitt fordert Herz – und erntet Spott

Der Landeschef der CDU stritt mit der Basis in Mitte über die „richtige Richtung“ für die Berliner Union

Wenn ein Landesvorsitzender von seinen Parteifreunden Geduld und Geschlossenheit fordert, steht es nicht gut um seine Partei. CDU-Landeschef Ingo Schmitt ist dringend auf beides angewiesen. Seine Berliner Union darbt bei 19 Prozent in jüngsten Umfragen. Sein Wunsch-Spitzenkandidat Klaus Töpfer lässt ihn warten. Seine Vorstellungen von der modernen Großstadtpartei CDU sind allenfalls in Umrissen zu erkennen. Seine Parteifreunde sind ziemlich beunruhigt. Das hat Schmitt am Dienstag- abend durch die CDU Mitte zu spüren bekommen.

Angekündigt war eine Wahlanalyse, doch will die Basis derzeit eher wissen, wie es weitergehen soll, als dass sie hören möchte, warum die CDU bei der Bundestagswahl derart eingebrochen ist. Was Schmitt dazu sagte und in der ihm eigenen Formulierungskunst als ein „Konglomerat von Punkten“ beschrieb, ist längst bekannt und oft gesagt. Das kalte Image der Union, Schröders Stärke als Kanzlerdarsteller, Stoibers und Schönbohms Kollektivbeleidigungen, die Steuererhöhungsehrlichkeit – Schmitt sprach alles an, sagte aber nichts zu der Frage, warum die Berliner CDU noch mal so viel schlechter abschnitt als die Bundes-CDU. Das war ein Fehler.

In Mitte hat sich nämlich eine ausgesprochen heterogene Parteimitgliedschaft zusammen gefunden. Aktive Alt-Mitglieder, typische Mittelständler, eine Menge junger Leute saßen am Dienstagabend im Publikum, auch solche, die sich in einigen Ortsverbänden unter dem Motto „Frischer Wind“ zusammengefunden und ein paar Bürgerinitiativen begonnen haben. Die fühlten sich von Schmitt ein wenig gefoppt. Mit gerade noch gewahrter Partei-Freundlichkeit fragte ein junger Mann im schwarzen Rollkragen Schmitt nach dessen 45 Minuten langem Vortrag über seine Pläne mit der Berliner CDU: „Was tun Sie, damit wir eine moderne Partei werden?“ Wenn Schmitt sage, man habe die „richtige Richtung“ angepeilt, stelle er fest: Die Partei sei von 22 Umfrage-Prozent auf 19 gesunken. Eine kurzhaarige Dame mit sehr strenger Brille sagte Schmitt ins Gesicht, sie habe sich schon mehrere seiner Vorträge „angetan“ und wolle jetzt wissen: „Wie wollen Sie den Politikwechsel in dieser Stadt begründen?“ Nur etwas verbindlicher gab sich ein junger Mann, schwarzer Anzug, weißes Hemd, der sagte, ihm habe doch die Selbstkritik gefehlt, denn „wir sind im freien Fall in die Bedeutungslosigkeit“.

Was immer Schmitt und sein Landesvorstand an Ideen ins Gespräch gebracht haben – die Parteifreunde in Mitte konnten nicht viel damit anfangen. Die Suche nach dem Spitzenkandidaten? „Unprofessionell“ und „suboptimal“, wie der Mann im schwarzen Anzug meinte. Er spottete auch gleich über die neue Offenheit für die Familien aller Art in Berlin. Man müsse Wowereit auf dessen Politikfeldern angreifen, statt zu versprechen, dass man mal ein bisschen mehr Geld ausgeben werde.

Schmitt ertrug das alles mit dem halben Lächeln, das er aufzulegen pflegt, wenn ihm die Leute nicht gewogen sind, was öfter mal vorkommt. Dann rückte er ein paar der Vorwürfe gerade. Er erinnerte daran, dass er sich um den Landesvorsitz nicht gebalgt hatte und dass er unter der Prämisse angetreten sei, einen Spitzenkandidaten von außen zu finden. „Es kann nicht Aufgabe eines Landesvorsitzenden sein, über Nacht aus dem Hut zu zaubern, was alles anders sein soll“, sagte er in Richtung derer, die sich einerseits heftig einbringen wollen, andererseits aber vom Vorstand klare Richtungsansagen fordern. Er erinnerte auch daran, dass die CDU etwa in Sachen Migration eine Diskussion nachzuholen hat – „das sind doch Diskussionsprozesse“, sagte Schmitt, „die werden wir nicht alle bis zur Abgeordnetenhauswahl abschließen“. Es erinnert dann doch an Eberhard Diepgens große Zeiten, wenn Schmitt sagt, die CDU solle eine „moderne Bürgerpartei mit Herz“ werden.

Und die Kandidatenfrage? Da sei Vertraulichkeit oberstes Gebot. So attraktiv sei die Berliner CDU derzeit nicht, dass führende Persönlichkeiten aus der Wirtschaft oder der Wissenschaft leicht als Spitzenkandidaten zu gewinnen seien, sagte Schmitt, die Kritik an seine Kritiker zurückgebend. Mit bemühter Ironie und halbem Lächeln sagte er zum Abschied: „Ich lass mich gern kritisieren. Damit kann ich ja leben.“ Das ist sicher eine der starken Seiten des CDU-Landesvorsitzenden.

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