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King Kong ist Gewerkschafter. Vorm Zoo am Hardenbergplatz verteilte dieser Warnstreikende im Gorillakostüm Infozettel: „Wir streiken. Die Tiere leiden aber darunter nicht.“

© Björn Kietzmann

Schnauze voll: Erster Streik in Zoo und Tierpark seit 1844

1100 Euro netto für den mitunter sogar gefährlichen Job als Tierpfleger – das ist zu wenig, sagen die Mitarbeiter von Zoo und Tierpark. Am Sonntag gingen sie in den Ausstand. Es war das erste Mal seit der Gründung anno 1844.

„Anerkennung ausgestorben“ steht auf einem Plakat am Zaun, das sich an Zoo-Direktor Bernhard Blaszkiewitz richtet. „Artgerechte Löhne, Frau Thöne“ ist auf einem anderen zu lesen, das an den kaufmännischen Zoo-Vorstand Gabriele Thöne appelliert. Davor stehen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zoos, die über ihre grüne Arbeitskleidung an diesem Sonntag auch rote Verdi-Jacken und Westen gestreift haben, wobei die rotgrüne Kombi nichts mit Vorwahlkampf zu tun hat. Es handelt sich um den Premieren-Warnstreik in der Geschichte des Zoologischen Gartens und des Tierparks Friedrichsfelde. Und das hat was zu sagen, denn der Zoo wurde als erster Deutschlands gegründet, und das war anno 1844.

Kollegen in Leipzig bekommen 1000 Euro mehr

Zwei Jahrhunderte später ist die Zeit nach Ansicht der Mitarbeiter nun aber reif für einen Arbeitsausstand. 6,7 Prozent mehr Gehalt fordert die Gewerkschaft Verdi für die 200 Angestellten im Tierpark und die 220 im Zoo. Der Arbeitgeber, die Zoologischer Garten Berlin AG, will höchstens anderthalb Prozent draufpacken. „Für mich ist das eine Respektlosigkeit gegenüber den Mitarbeitern“, sagt Günther Pott. Er kann das sagen, er geht nächstes Jahr in Rente, nach vier Jahrzehnten Zoo. Den Direktor kennt er seit der Uni, er war bei Blaszkiewitz’ Lieblingstieren, den Nashörnern, lange Pfleger. „Wir kommen gut aus miteinander. Wer ihn kennt, weiß, wie er tickt“, sagt Pott und lächelt herzlich-kollegial. Doch bestimmte Dinge würden einfach nicht mehr gehen. Ein gerade ausgelernter Tierpfleger verdiene nur rund 1100 Euro netto. Eine Kassenkraft gehe mit 1400 brutto, oft nur 800 Euro netto nach Hause. Wo die Berliner Tierpfleger nach Jahren knapp 1900 brutto verdienten, bekomme ein Kollege in Leipzig 1000 Euro brutto mehr – Berlin sei eben aus der Tarifgemeinschaft ausgetreten. Auch die Kollegen, die in den Versuchslaboren der FU und der Tierklinik arbeiteten, bekämen 400 Euro brutto mehr. „Zuletzt haben wir Nullrunden gefahren ohne Ende“, sagt Günther Pott. Galoppierende Inflation. „Und Feiertagszuschläge reichen gerade für einen Kneipengang“, scherzte ein anderer. Einige Familienväter zahlen mehr als die Hälfte des Nettogehalts für die – ständig steigenden – Berliner Mieten. Wenn nicht auch der Partner arbeiten ginge, könne man sich ein Leben mit Kind gar nicht leisten, sagt einer. Viele hier machen ihren Beruf aus Berufung, betrauern noch heute die Tatsache, dass sie dem 400-Kilo-Eisbären Knut bei seinem Todeskampf im Wasser nicht helfen konnten. Manchen sieht man die Liebe zur Natur an, es sind Outdoor-Freaks mit Wikingerbärtchen und Ohrringpalette.

Mitarbeiter fühlen sich "nur wie Scheißeschipper" behandelt

Zu den Pflegern im Ausstand gehört auch ein Arbeitskämpfer in haarigem Gorillaanzug. Besucherkindern schüttelt er lieb die Hand, damit sie keine Angst vor ihm haben. Zoo-Stammbesucher sind als Unterstützer ebenfalls in Verdi-Jacken geschlüpft. „Für unseren Chef sind wir ja nur die Scheißeschipper, die nichts zu melden haben“, sagt eine enttäuschte Mitarbeiterin. Dabei brüstet sich Bernhard Blaszkiewitz gern damit, als Tierpfleger volontiert zu haben. Er ist auch Leiter des Tierparks Friedrichsfelde, dem Sorgenkind der beiden zoologischen Einrichtungen der Stadt. Rund 5,2 Millionen Euro Betriebskostenzuschüsse bekam der Tierpark vergangenes Jahr, die 149 000 Euro Verlust könne man noch dank der Rücklagen ausgleichen, sagt Finanzvorstandsfrau Gabriele Thöne. Der Zoo bekommt null Zuschüsse mehr. „Jeglicher Kompromiss beim Geld wird unseren Jahresverlust erhöhen“, sagt die Arbeitgeberseite. Die Arbeitnehmer halten dagegen, dass dennoch millionenteure Neubauten realisiert oder geplant würden: Tropenbärenhaus, Vogelhaus, neues Bärenschaufenster. „Wir müssen leistungs- und wettbewerbsfähige Betriebe bieten“, sagt der Arbeitgeber Zoo.

Angestellte und Besucher wünschen sich mehr Beschäftigung für die Tiere

Günther Pott sehnt sich da in die Zeiten zurück, als es alle zwei Jahre 50 Mark mehr Lohn gab. Der Betriebsratsvorsitzende im Zoo, Peter Stanke, wünscht sich neben mehr Gehalt für alle mehr Würdigung der Arbeit durch die Chefs. Viele Tierpfleger können es, wie die Zoogäste, nicht verstehen, warum der Zoochef die Beschäftigung mit Tieren oder ein Training vor den Augen der Besucher absolut ablehnt. Er beschränkt das gern auf ein Minimum und erlaubt kein spezielles Beschäftigungs-Material zumindest aus Plastik. Dabei hätten die Besucher auf diese Weise doch mehr Freude am Zusehen, und die Tierpfleger könnten sich über ausgeglichenere Schützlinge freuen. Wenigstens einer war am Sonntag der Warnstreikpremiere happy: Verdi-Vertreter Jürgen Stahl. Noch nie in der Zoohistorie hat die Gewerkschaft einen so hohen Mitgliedszuwachs verzeichnet.

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