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© ddp

Schnee und Eis: Das Streusalz reicht nicht mehr für alle Straßen

Trotz Neuschnees will die BSR nur noch Autobahnen komplett enteisen, sonst muss Split reichen. Die glatteisbedingten Verletzungsfälle häufen sich unterdessen.

Beim Neuschnee mangelt es nicht an Nachschub, doch der Stadtreinigung geht das Salz aus. Die Schneemassen, die in der Nacht zum Mittwoch erneut vom Himmel wirbelten, kann die BSR jetzt nur noch eingeschränkt beseitigen. Das Hauptstraßennetz wird nicht mehr wie üblich mit Salz schneefrei gemacht. Dies teilte der Verantwortliche für den Räumdienst, Winfried Becker, mit. Nur noch „wenige hundert Tonnen“ Salz seien auf Lager, doch schon ein „Durchstreuen“ benötige 200 bis 300 Tonnen. Bereits in der vergangenen Nacht wurden deshalb nur noch die Autobahnen komplett gesalzt – denn dort ist Split verboten.

Auf dem 4000 Kilometer langen Hauptstraßennetz streute die BSR dagegen ein Gemisch aus 90 Prozent Split und zehn Prozent Salz. Salz sei deutschlandweit keines mehr am Lager, das was jetzt noch geliefert werde, stamme „direkt aus dem Bergwerk“, sagte Becker. Doch diese Menge reiche schlicht nicht aus. Der BSR-Manager verwies darauf, dass in anderen Bundesländern selbst die Autobahnen nicht mehr komplett geräumt werden, „sondern nur noch einzelne Fahrbahnen“. „Den gewohnten Komfort wird es für Autofahrer nicht mehr geben. “

Fußgänger und Radfahrer vermissen diesen Komfort schon seit Weihnachten. Nahezu sämtliche Gehwege sind mit Zentimeter starken Eisplatten bedeckt, das Schieben von Rollstühlen und Kinderwagen wird zur Tortur. Zahlreiche Leser berichteten, dass in anderen Großstädten die Gehwege weitgehend eisfrei seien – nur nicht in Berlin. Das ist auch nicht mehr vorgeschrieben, sondern nur noch das „Abstumpfen“ bei Glätte.  Schon seit den 80er Jahren müsse „nicht mehr bis auf die Gehwegplatte geputzt“ werden, heißt es beim Haus- und Grundbesitzerverband. Durch den Wechsel von Antauen, Neuschnee und Frost haben sich dicke Eisschichten gebildet – wie viele Menschen sich bei Stürzen schon die Knochen gebrochen haben, ist unklar. Tobias Lindner, Oberarzt der chirurgischen Rettungsstelle im Weddinger Virchow-Klinikum, spricht von deutlich mehr Verletzungen durch Stürze in diesen Wochen als sonst. „Allein am Montag waren zehn Patienten bei uns, die nach Glatteisstürzen operiert werden mussten. Das ist schon sehr viel“, sagte Lindner. Die meisten Leute rutschten aus oder knickten um und stützten sich dann mit der Hand ab, weswegen insbesondere Sprung- und Handgelenksverletzungen zu verzeichnen seien.

Heike Weinert, Sprecherin der Techniker Krankenkasse, sagte, zunächst übernehme die Kasse die Kosten bei jedem Unfall. „Dann prüfen wir aber, wer die Schuld daran trägt – also auch, ob beispielsweise nicht gestreut wurde.“ Dabei sei auffällig, dass eine Einigung mit Privatpersonen deutlich einfacher und unbürokratischer zu erreichen sei als mit der öffentlichen Hand.

Wie berichtet, hatten mehrere Bezirke eingeräumt, dass auch vor öffentlichen Gebäuden schlecht geräumt werde – denn auch die Bezirke haben private Unternehmen beauftragt. Für sämtliche Gehwege sind private Räumdienste zuständig, nicht die BSR. Schon zum Jahreswechsel hatte der fürs Ordnungsamt zuständige Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky kritisiert, dass diese Firmen „völlig überfordert“ seien. Doch Abhilfe ist nicht in Sicht. Die BSR lehnte eine Übernahme der Gehwegenteisung gestern ab. „Dafür haben wir keine Ressourcen.“ 

Eine Besserung hängt also vom Wetter ab. Die Meteorologen widersprachen sich gestern bei der Schneemenge: Der Wetterdienst „Mowis“ nannte fünf und zehn Zentimeter. Und:  „Der Winter lässt nicht locker.“ „Meteogroup“ kündigte nur drei bis fünf Zentimeter Schnee an und der Deutsche Wetterdienst Tauwetter.

Doch mit Tauwetter werde es noch schrecklicher in der Stadt, warnte die Stadtreinigung gestern schon einmal vor. Denn wenn die Schnee- und Eisberge tauen, tauchen darunter zehntausende Tonnen Split, große Mengen Hundekot und die Böller von Silvester wieder auf. Berlin werde jedenfalls bis Ostern nicht wieder sauber sein.

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