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Berlin: Schnell geurteilt, viel gespart

Bei Asylverfahren könnte Berlin Millionen weniger ausgeben – wenn die Politik den Gerichten Empfehlungen geben dürfte

Ausnahmsweise sind sich mal alle Rechtsfachleute im Parlament einig: Asylverfahren dauern in Berlin länger als in jedem anderen Bundesland, sie dauern viel zu lange – und das kostet das Land übermäßig viel Sozialhilfe für Asylbewerber, die auf endgültige Gerichtsentscheidungen warten müssen. Der CDU-Abgeordnete Michael Braun hat, angeblich gestützt auf Zahlen von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD), enorme Sparpotenziale erkannt: Gerade 800 000 Euro würden die zusätzlichen Richterstellen kosten – 54 Millionen Euro könne das Land durch die Beschleunigung der Asylverfahren sparen. Doch im Rechtsausschuss ist er damit nicht durchgekommen, und deshalb wird es wohl auch kein Geld für neue Richterstellen geben.

Die Abgeordneten hätten der Justiz eben „nicht reinzureden“ in die Verteilung der Stellen an den Gerichten, sagt der PDS-Abgeordnete Klaus Lederer. Schuberts Sprecherin Andrea Boehnke erinnert daran, dass die Gerichtspräsidien festlegten, wie viele Kammern für bestimmte Verfahren zuständig seien. Es sei der „Inbegriff der Gewaltenteilung“, dass die Politik sich nicht in die Gerichtsorganisation einmische. Und gegen die Kosten der Asylverfahren könne man theoretisch auch entgangene Steuereinnahmen setzen – wenn Investoren lange Streitereien mit Behörden vor dem Verwaltungsgericht auszutragen hätten.

Volker Ratzmann, Rechtsfachmann der Grünen, sieht die Ursache für die hohen Kosten bei den Asylverfahren gar nicht bei den Gerichten. Die Innenverwaltung „paukt jeden Fall durch“, sagt Ratzmann. Sinnvoller wäre es, nur Asylverfahren auf den Rechtsweg zu bringen, die anders nicht zu entscheiden sind. Die Mehrzahl der Verfahren aber könne ohne das Verwaltungsgericht beendet werden: Indem die Ausländerbehörde prüft, wie in ähnlichen Fällen entschieden worden ist, und entsprechende Entscheidungen trifft, statt eine Abschiebung gerichtlich durchsetzen zu wollen.

Dass Brauns Vorstoß nicht ganz daneben ging, geben Ratzmann und Lederer indirekt zu: Im Kollektiv haben die Mitglieder des Rechtsausschusses festgestellt, dass die Stellenausstattung der Justiz auch durch die neuesten Sparbeschlüsse nicht angegriffen werden darf. Anders gesagt: Die von Finanzsenator Thilo Sarrazin verlangte Kürzung um fünf Prozent soll die Justiz nicht treffen. Interessant, meint Ratzmann dazu, dass Rot-Rot im Rechtsausschuss gegen Sarrazins Pläne gestimmt.

Zu wenig, meint FDP-Fraktionschef Martin Lindner zu dem ganzen Vorgang. Braun habe Recht mit seinem Hinweis auf die Sparmöglichkeiten. Lindner glaubt , dass vernünftige Verwaltungsrichter und Gerichtspräsidenten für Sparvorschläge der Politik durchaus offen sind. Man müsse nicht gleich aufheulen und um die Unabhängigkeit der Gerichte fürchten, wenn Politiker mit der Finanzierung von Stellen bestimmte Hoffnungen verbinden.

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