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Berlin: Schock in Schmargendorf

Mord in ihrem bürgerlichen Kiez – die Anwohner sind entsetzt. Aber vielleicht gab es doch Drogen im Park

Zum Konfirmationsgottesdienst an diesem Sonntag will der Chor der evangelischen Kreuzkirche am Hohenzollerndamm das „Halleluja“ aus Händels „Messias“ singen. Ob das tote Mädchen, das gestern Nachmittag aus der Grünanlage hinter dem Pfarrhaus von der Gerichtsmedizin abtransportiert wurde, dazugehört hätte, bewegt die Gemüter. „Hier wohnt die Crème de la Crème von Schmargendorf“ – der Besitzer der Trattoria „Bally’s“ ist stolz auf seine gute Lage gegenüber der Kirche.

Im Keller des Kirchturms gibt es am Freitagabend immer Disko. Über die Disko sprechen mehrere Anwohner aus der Wohngegend um die Forckenbeckstraße. Den Pfarrer der Kreuzkirche kann man dazu nichts fragen – das Pfarrhaus ist am Nachmittag abgeschlossen, auf Klingeln öffnet niemand. 100 Beamte durchsuchen bis zum späten Nachmittag das Gelände.

Die blonde Frau, die mittags mit ihrem Rad gegenüber der Polizeiabsperrung in der Forckenbeckstraße steht, erzählt, dass sich abends Jugendliche in der Anlage hinter der Kirche treffen, Bier trinken und kiffen. „Wer hier wohnt, weiß das“, betont sie. Tagsüber sei es aber ein sehr schöner Spielplatz. Im Park hinter der Kirche treffen sich Jugendliche, bestätigen die 15-jährigen Freundinnen Jasmine und Juliane. Entsetzt ist ein Spaziergänger, der seinen Hund Gassi führt, „denn eigentlich bin ich richtig froh, dass ich hier wohne.“ Ein Ehepaar aus der Davoser Straße erinnert sich, dass in dem Park vor Jahren schon mal ein Toter gefunden wurde. „Grausam“ sei der Fund, sagt die alte Dame, die sich mit einer Gehhilfe über die Kreuzung quält.

Der 13-jährige Malte erzählt ebenso wie die 12-jährige Sarah von Jugendlichen, die am Regenwasser-Becken Drogen konsumieren. Die seien auch betrunken, erzählt Sarah. Als sie mal mit ihrer Freundin im Park spazieren war, hätten Jugendliche „schlechte Worte“ zu ihr gesagt. Zur Disko in der Kirche gebe es keinen Alkohol, aber „manche bringen bestimmt etwas mit.“

Am Abend berichtet die Frau des Pfarrers am Telefon, ihr Mann und auch sie könnten sich an kein dunkelhäutiges Mädchen unter den Besuchern des Jugendcafés erinnern. In der Forckenbeckstraße gebe es aber ein Asylantenheim. Die Tat müsse sich nach 9.30 Uhr ereignet haben. Zu der Zeit führte ein Freund der Familie deren Hund aus, bemerkt habe er dabei nichts. Gegen 11.40 Uhr sei dann ein Konfirmand auf dem Rad der Spaziergängerin, die wohl gerade die Tote gefunden habe, vorbeigekommen und habe gefragt, ob er helfen könne.

Den Obdachlosen, der 1995 ermordet worden war, hatten sie und ihr Mann mitentdeckt, berichtet die Pfarrersfrau. Jugendliche hatten die Leiche zunächst für eine „Attrappe“ gehalten und sie darauf aufmerksam gemacht. Schon damals habe ihr Mann die Behörden auf den Park, der eigentlich nur ein umgrüntes Regenwasser-Auffangbecken sei, hingewiesen, in dem sich immer wieder „merkwürdige Gestalten“ aufhielten. Geschehen sei nichts.

Bei der Kripo heißt es, dass die seit 2003 vermisste Jurema de Andrade Seabra nur wenige hundert Meter entfernt vom gestrigen Tatort wohnte, sei bloßer Zufall. Dunkelhäutige Jugendliche gebe es in Wilmersdorf mehr als anderswo in Berlin, eine Folge der Alliiertenzeit. Von dem dunkelhäutigen Mädchen aus der Hubertusbader Straße fehlt seit fast vier Jahren jede Spur. Je länger ein Kind weg sei, so die Erfahrung der Kripo, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass es einem Verbrechen zum Opfer fiel. Auch bei der im September letzten Jahres in Moabit verschwundenen Georgine Krüger sei ein Verbrechen wahrscheinlich.

Hinweise zum aktuellen Fall unter der Telefonnummer 4664 911401.

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