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Berlin: Schöffe Gnadenlos

Ehrenamtlicher Richter kündigt per Anzeige an, er werde harte Strafen gegen Gewaltverbrecher verhängen. Anwaltsverein ist empört

Der Vorgang ist einmalig. Ein Schöffe geht in die Öffentlichkeit: In einer großen Anzeige hat der ehrenamtliche Richter angekündigt, dass er sich für härtere Strafen einsetzen wird. Er ruft auf zum „Kampf gegen das gutmenschliche und sozialromantische Agieren der deutschen Hochmoral“. Der Mann, der Berlins Justiz scharf ins Gericht nimmt: Charité-Medizinphysiker Bernd Ramm, 64 Jahre alt und Mitte der 90er Jahre führender Kopf der „Bürger- und Stadtpartei Berlin“.

Kann so ein Schöffe noch objektiv urteilen? Die Justiz gab gestern keine Antwort auf die Frage. „Das Landgericht prüft, ob die Äußerungen Einfluss auf das Schöffenamt haben“, hieß es. Mit anderen Worten: Es geht um die Frage, ob Bernd Ramm noch tauglich ist für das verantwortungsvolle Ehrenamt. Ob er Schöffe bleiben darf, wird die 1. Große Strafkammer des Landgerichts entscheiden müssen.

Der Vorsitzende des Berliner Anwaltsvereins, Ulrich Schellenberg, zweifelt an Bernd Ramms Eignung. Wer schon vorab pauschal verurteile, dem fehle die Bereitschaft, den Einzelfall vorurteilsfrei zu würdigen. Eine Bewertung des Vorgangs lehnte die Senatsjustizverwaltung gestern ab. Nur eines stellte eine Sprecherin klar: In der Anzeige werde Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) falsch wiedergegeben. Der Schöffe hatte Schubert als Kronzeugin in Anspruch genommen. Schubert hatte in einem Tagesspiegel-Interview von der Justiz mehr Härte gefordert. Besonders Urteile gegen kriminelle ausländische Jugendliche seien oft zu milde.

Der Schöffe verteidigte gestern seinen Vorstoß. Als er hörte, dass ein Mann, der eine 13-Jährige vergewaltigt und geschwängert hat, mit nur 18 Monaten Haft auf Bewährung davonkam, habe er sich als Schöffe beworben. „Die Justiz hat erheblich an Vertrauen verloren“, sagte er. Ihm gehe es nicht um den großen Hammer etwa gegen einen 17-jährigen Autodieb. „Moralisch verwerfliche Verbrechen – da muss härter gestraft werden.“

„Ich bin kein Richter Gnadenlos“, sagte Ramm weiter. Er wolle auch nicht in die rechte Ecke gestellt werden. Es gebe nichts Schlimmeres, als unschuldig verurteilt zu werden. Aber wenn die Schuld eines Vergewaltigers oder Totschlägers feststehe – „dann höhere Strafen.“ Er sei auf der Seite der Opfer. „Ob der Täter eine schlechte Jugend hatte – das ist tragisch, aber interessiert mich nicht so sehr.“

Anwälte schüttelten angesichts der Anzeige nur die Köpfe. „Der wird doch in jedem Prozess als befangen abgelehnt“, sagte eine Rechtsanwältin. Einer ihrer Kollegen nickte: „Der Mann ist doch untragbar.“ Bernd Ramm meinte, er habe lediglich eine Diskussion anregen wollen. Wenn er vom Schöffenamt ausgeschlossen werden solle, werde er „mit allen rechtlichen Mitteln“ dagegen vorgehen. Die erste Verhandlung des Landgerichts mit dem Schöffen Ramm soll nach derzeitigen Planungen am 4. Februar stattfinden.

Kerstin Gehrke

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