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Berlin: Schönbohm unter Druck

Koalitionspolitiker in Potsdam verlangen Aufklärung CDU-Innenpolitiker: V-Mann agierte absprachewidrig

Die V-Mann-Affäre setzt den brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und seinen Verfassungsschutz-Chef Heiner Wegesin unter Erklärungsdruck: Hintergrund ist, dass immer neue Einzelheiten zu den strafbaren Handlungen des von Berliner Spezialkräften Ende Juni festgenommenen V-Mannes Toni S. aus Cottbus bekannt werden, die den Brandenburger Verfassungschutz nicht im besten Licht erscheinen lassen. SPD-Fraktionschef Gunter Fritsch verlangte gestern, dass schnell geklärt werden müsse, ob die Vorwürfe zuträfen und der Verfassungsschutz Gesetzesverletzungen zugelassen habe. Der V-Mann soll mit Wissen und womöglich auch mit finanzieller Unterstützung des Verfassungsschutzes an Produktion und Vertrieb neonazistischer Musik-CDs beteiligt gewesen sein.

Auch die Rolle des V-Mann-Führers muss laut Fritsch untersucht werden. Nach dem Landesverfassungsschutzgesetz muss ein V-Mann, der Straftaten begeht, abgeschaltet werden. Schönbohm müsse erklären, warum das nicht geschehen sei, verlangte Fritsch. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, müsse es Konsequenzen geben, auch hinsichtlich der Kontrolle der V-Leute durch ihre Führer.

Zuvor hatte bereits der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Werner-Siegwart Schippel gerügt, dass Schönbohm dem Verfassungsschutz nicht rechtzeitig Einhalt geboten habe. Was das Innenministerium tatsächlich von den Straftaten des Toni S. wusste, ist bisher allerdings unklar. Nach Einschätzung aus Sicherheitskreisen hat der V-Mann „offenkundig ein doppeltes Spiel betrieben und beide Seiten an der Nase herumgeführt". Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion und Ex-Verfassungsschützer Sven Petke erklärte gestern, der Verfassungsschutz „wusste nicht alles“, denn der V-Mann habe sich „absprachewidrig“ verhalten. Trotzdem habe der Verfassungschutz richtig gehandelt, „als er versuchte, mit Hilfe des V-Mannes Erkenntnisse über die neonazistische Musik-Szene und die Hintermänner zu erlangen“. Das Risiko sei nötig gewesen, um neue Erkenntnisse zu bekommen. Es sei kein Schaden eingetreten.

Allerdings sieht auch Petke einen Erklärungsbedarf seitens des Verfassungsschutzes. Er sehe aber darin kein Problem. Vor voreiliger Kritik am Verfassungsschutz warnte auch der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), Christoph Schulze (SPD). Die gegenseitigen Vorwürfe, die sich Berlin und Brandenburg jetzt machten, seien vom Wahlkampf beeinflusst. Das Thema eigne sich aber nicht dafür. Eine nächste Sitzung der PKK solle es am 20. oder 21. August geben. Er wolle derzeit keine Wertungen vornehmen, so Schulze, aber es sei nicht auszuschließen, dass die Aktion, bei der Hintermänner des neonazistischen Musikvertriebes ausfindig gemacht werden sollten, aus dem Ruder gelaufen sei.

Petke und Schulze appellierten an die Sicherheitsbehörden in Brandenburg und Berlin, nicht gegeneinander zu arbeiten, weil dies nur den Rechtsextremen nutze, aber die Kluft zwischen beiden Ländern vergrößere. Sie müssten ihr Wissen austauschen, verlangte Petke, der damit darauf anspielte, dass Brandenburg bisher nicht weiß, was der V-Mann in Berlin ausgesagt hat. Schulze kündigte an, dass er sich dafür einsetzen werde, die zuständigen Berliner Staatssekretäre zur Sitzung der PKK einzuladen. Es sei unakzeptabel, dass aus Berlin Informationen aus den Vernehmungsprotokollen des Toni S. durchsickerten, aber Brandenburgs Behörden nicht informiert würden. Michael Mara

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