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Berlin: Schöner feiern mit Kette und Talar?

Sollen Universitäten wieder alte Rituale aufleben lassen und Festakte begehen wie vor der Studentenrevolte von 1968? Ein Pro und Contra

Die Insignien eines Greifswalder Universitätsrektors werden ihm überreicht: Mantel, Kette und Ring. Zwei mit Silberzeptern bewehrte Pedelle führen nun den neuen Rektor mit Hilfe eines Zeremonienmeisters seinem Amte zu.“ Diese Schilderung einer „Rektoreninvestitur“ stammt nicht aus dem 19., sondern aus dem 21. Jahrhundert. Die malerische Szene fand im Januar in der Aula der Greifswalder Universität statt, als der neue Rektor Rainer Westermann in sein Amt eingeführt wurde. Mindestens zwei Mal im Jahr ziehen die Dekane der fünf Greifswalder Fakultäten in ihren verschiedenfarbigen Talaren in die Aula ein, berichtet Universitäts-Sprecher Edmund von Pechmann.

Sollen Universitäten alte Rituale wieder aufleben lassen? Der scheidende Präsident der Freien Universität, Peter Gaehtgens, hatte seinem Nachfolger Dieter Lenzen bei der feierlichen Amtsübergabe am Freitag erstmals seit der Studentenrevolte von 1968 wieder die Amtskette umgehängt. Die Talare, die 1969 vom „linken“ Uni-Präsidenten Rolf Kreibich eingemottet wurden, sollen aber im Schrank bleiben. Gaehtgens, der in seiner Amtszeit festliche Immatrikulationsfeiern einführte, glaubt, das Tragen von Talaren könnte „missverstanden“ werden – als Rückkehr zur autoritär geprägten Ordinarienuniversität. Allerdings bekennt sich Gaehtgens dazu, „dem Zustand der allgemeinen Verwahrlosung an der Freien Universität entgegengetreten“ zu sein. Eine Universität dürfe nicht wie eine graue Maus daherkommen, sondern müsse ihren Mitarbeitern und Studenten Identifikation bieten.

In den neuen Bundesländern diskutiert man nicht mehr. Von Greifswald bis Dresden haben die neuen Unileitungen die Talare wieder hervorgeholt. Die anglo-amerikanische Tradition dagegen, Absolventen in Talaren und mit Magister- oder Doktorhüten zu verabschieden, hat es an staatlichen Universitäten schwer. Es gibt dieses Ritual bislang nur an privaten Unis und Business-Schools. Die Studenten kommen meist aus dem Ausland, und sie wären enttäuscht, wenn ihnen die international übliche Verabschiedung verwehrt würde, sagt die Sprecherin des privat finanzierten Northern Institute of Technology (NIT) in Hamburg-Harburg, Katja Caspar. Talare und Hüte gäben den Studenten das Gefühl, an diesem Tag etwas Besonderes zu sein.

Nach diesem Gefühl sehnen sich auch deutsche Studenten. Die Zeiten, als Magister- oder Diplomzeugnisse in einer schlichten Plastikhülle bei der mürrischen Fachbereichssekretärin bereit lagen, sind vorbei. Im Fachbereich Neuere fremdsprachliche Philologien der FU beispielsweise beglückwünscht der Dekan Absolventen bei einem kleinen Sektempfang. „Ein Festvortrag, Preise für die besten Dissertationen und Diplome, ein musikalischer Rahmen, anschließend ein Empfang“, beschreibt die Sprecherin der Technischen Universität die an allen Fakultäten üblichen Absolventenfeiern. Und selbst das Otto-Suhr-Institut, Keimzelle der Studentenrevolte, organisiert mittlerweile Abschlussfeiern mit prominenten Festrednern.

Furore machten die Feiern der Medizinischen Fakultät der Humboldt-Uni. Charité-Absolventen bekamen seit Anfang der 90er „ein wunderschönes Humboldt-Zeugnis“, einen Festakt mit Fakultätsangehörigen und Familien – und alle erschienen in festlicher Kleidung, schwärmt Burkhard Danz, Referatsleiter für Studienangelegenheiten. Ab 1998 aber wurde die Mediziner-Ausbildung umgestellt, für die Examina ist nun das Landesprüfungsamt zuständig. Jetzt bekommen Absolventen schmucklose Urkunden per Einschreiben zugeschickt. Im letzten Jahr richtete Danz trotzdem wieder einen Festakt aus. „Die Absolventen haben einen würdigen Abschied aus einem Lebensabschnitt verdient, den sie sich hart erkämpft haben.“

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