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Doppelt geschafft. Die Initiatoren des Volksbegehrens können jubeln. Die rot-rote Regierungskoalition spielt plötzlich doch mit. Foto: dpa

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Berlin: Schöner schlafen in Schönefeld

Brandenburg will eine längere Nachtruhe am BER. Das ist doch gut, oder? Die Anwohner sind vorsichtig.

Potsdam - Es geht um mehr Nachtruhe für die Anrainer des künftigen Flughafens in Schönefeld: Doch zunächst provoziert der überraschende Schwenk von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und seiner rot-roten Regierungskoalition, die ein strengeres Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr durchsetzen wollen, neuen Krach. Während Bürgerinitiativen und Anrainer-Kommunen den Vorstoß begrüßten, pochen Berlin und der Bund, Industrie- und Handelskammern, Unternehmensverbände, aber auch die Flughafengesellschaft selbst auf die vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigten Nachtflugregeln.

„Wir sind zunächst einmal glücklich“, sagte Sprecher Matthias Schubert von der Bürgerinitiative Kleinmachnow, einer der Initiatoren des Volksbegehrens in Brandenburg. „Die Arbeit hat sich gelohnt. Einbringen lohnt sich.“ Dies sei ein wichtiges Signal für die Demokratie. Allerdings bleiben die Initiatoren vorsichtig. Die Vorbereitungen für den Volksentscheid, der bei einer Ablehnung des Volksbegehrens im Landtag im Sommer stattfinden würde, liefen bis zum Landtagsbeschluss im März weiter. Eine andere Hürde für eine Annahme des Volksbegehrens im Landtag hatten sie selbst beseitigt. Am zweiten „unglücklichen“ Passus, der auf eine Verlagerung von BER-Flügen auf Regionalflughäfen in Brandenburg hinausläuft, hält das Volksbegehren nicht mehr fest. „Wichtig ist uns, dass zwischen 22 Uhr und sechs Uhr nicht geflogen wird“, sagte Schubert.

Und genau da lauert weiter das größte Risiko. Ausdrücklich warnte Schubert Platzeck davor, das Nachtflugverbot allein über Verhandlungen mit Berlin und dem Bund durchsetzen zu wollen, da das absehbar fast chancenlos sei. „Der Ministerpräsident hat die Möglichkeit, den Planfeststellungsbeschluss ändern zu lassen. Das verlangen wir.“ Ähnlich äußerte sich auch Ortwin Baier, Bürgermeister von Mahlow-Blankenfelde. Das ist der Ort, der am schwersten vom Fluglärm betroffen sein wird, da er unmittelbar an der Landebahn liegt. Eine planungsrechtliche Änderung, wie sie Baier zum Schutz tausender Anwohner fordert, aber wollen Platzeck und die Koalitionäre nicht. Ziel seien einvernehmlich mit den anderen beiden Gesellschaftern vereinbarte Erleichterungen für die Anwohner. Bei Bund und Berlin aber stößt Brandenburg mit seiner Forderung auf Granit. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) reagiert geradezu wütend und sprach von elementarem Schaden. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums erklärte: „Es gibt keinen Grund, die Debatte jetzt zu eröffnen, es gibt einen gerichtsfesten, ausgehandelten und austarierten Kompromiss.“ Die Flughafengesellschaft, die dem Bund, Berlin und Brandenburg gehört, ist gegen ein schärferes Nachtflugverbot. „Wir haben eine letztinstanzlich bestätigte und sehr bürgerfreundliche Regelung für die volkswirtschaftlich wichtigen Flüge in den Randzeiten“, sagte Flughafensprecher Ralf Kunkel. „Daran muss man nicht rütteln.“ Stattdessen könne der Lärm durch intelligente Bahnnutzungskonzepte, den Einsatz leiser Flugzeuge und moderne Anflugverfahren gesenkt werden.

Auch die Wirtschaft reagierte entsetzt. Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, nannte Brandenburgs Vorgehen völlig unverständlich. Der BER brauche die geltende Nachtflugregelung von 24 bis 5 Uhr – „auch weil er ein internationales Drehkreuz für die ganze Region sein wird“. Die Berliner Wirtschaft forderte Wowereit auf, hart zu bleiben. „Eine Ausweitung der Beschränkungen am BER ist nicht akzeptabel“, sagte der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Christian Wiesenhütter. „Sie würde wichtige Interkontinentalverbindungen kosten, Berlin von den internationalen Personen- und Warenströmen abschneiden und perspektivisch mehrere tausend Arbeitsplätze verhindern. Bisher wird der Flughafen Schönefeld rund um die Uhr betrieben.“ Auch die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg(UVB) ist besorgt. Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck sprach von einem schweren Rückschlag für den BER. In Brandenburgs Landtag, wo alle Parteien außer die FDP für weniger Nachtflüge am BER sind, verursacht das Vorgehen Streit. Die CDU-Opposition erklärte: „Verhandeln, ohne ein konkretes Ziel zu definieren, ist eine reine Feigenblattpolitik von Rot-Rot.“

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