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Wer ist da hinter mir? Dass Autofahrer in den Rückspiegel schauen, ist für Radfahrer oft lebenswichtig.

© imago/photothek

Tödliche Verkehrsunfälle in Berlin: Die Feindseligkeit in der Debatte hilft niemandem

Nach jedem Unfall machen sich Rad- und Autofahrer gegenseitig Vorwürfe. Die Wut spiegelt sich dann im Straßenverkehr wider. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Schon wieder ist in Berlin ein Mensch totgefahren worden, der mit dem Fahrrad unterwegs war. Weil er übersehen wurde von einem ungleich stärkeren Verkehrsteilnehmer.

Erst gab es am 8. Januar den Unfall mit einem abbiegenden Lastwagen am Kottbusser Tor in Kreuzberg, einem notorisch gefährlichen Kreisverkehr, und am Sonntag den Unfall mit einem abbiegenden BVG-Bus im Osten der Stadt. Jeder der zwei Fälle ist eine Tragödie für sich, und jeder hat seine speziellen Besonderheiten.

Doch bieten sich beide auch für jene Zuspitzungen an, mit denen in der hitzig geführten Debatte um Verkehrssicherheit von allen Seiten herumgeprügelt wird. Da geht es um motorisierten versus nichtmotorisierten Verkehr. Den Radlern wird vorgeworfen, sie hielten sich für moralischer, den Autofahrern hedonistische Rücksichtslosigkeit. In dem Streit ist viel Feindseligkeit, die dann auch wieder auf die Straße zurückgespiegelt wird. Mehr Wut in der Debatte macht mehr Wut auf der Straße.

Das Schlimme ist auch, dass noch keiner dieser tödlichen Unfälle zu einem gemeinsamen Zusammenzucken und Zusammenrücken geführt hat, das es – jenseits der quälend langsam aufwachsenden grünen Fahrradstreifenkilometer – möglich machen würde, Regeln zu vereinbaren, die den Verkehr sicherer machen. Dass bis heute nicht wirklich Übereinkunft darüber zu herrschen scheint, dass Sicherheit von allen ausgeht.

Verkehrserziehung? Kein Kinderkram

Es dürfte kaum Radfahrer geben, die nicht erlebt haben, dass Autofahrer ihnen wie aus erzieherischer Absicht bedrohlich nahe kamen. Ebenso hat sich sicher jeder schon mal geärgert über Radfahrer, die zu schnell, zu eng, zu sonst wie an einem vorbeigezischt sind. Aber was nützt dieses Aufrechnen? Es ist gefährlich, in der Stadt auf dem Rad unterwegs zu sein. Und das ist kein Zustand, der zu rechtfertigen wäre.

Wenn man sich wenigstens darauf einigen könnte, dass an Kreuzungen grundsätzlich höchste Vorsicht geboten ist. Schritttempo für motorisierte Verkehrsteilnehmer, x-facher Schulterblick für Radler, vielleicht wäre dann schon etwas gewonnen. Natürlich wären auch verkehrssichernde Ampelschaltungen gut, Abbiegeassistenten, besonders gekennzeichnete Fahrradunfallschwerpunkte, mehr unübersehbare Fahrradwege, hellere Lampen in der dunklen Jahreszeit.

Aber solange es das alles nicht wie selbstverständlich gibt, kann es nicht reichen, darauf zu verweisen. Es geht um Menschenleben. Das können sich alle, die auf Berlins Straßen – und nicht nur hier – bewegen, immer mal wieder ins Gedächtnis rufen. Die Verkehrserziehung, die man je zum Schulanfang gerührt bei Erstklässlern beobachten kann, ist kein Kinderkram. Sie hilft im Zweifelsfall, zu überleben.

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