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Schrebergärten: Kartoffeln direkt vom Ku’damm

Zu Mauerzeiten galten Kleingärten als wichtige Oase. Jetzt sind 21 Berliner Kolonien bedroht.

Bei den Kleingärten ist Berlin bisher Spitze. „Keine vergleichbare Metropole hat eine so große Anzahl an privat nutzbaren Gärten im unmittelbaren Einzugsbereich der Innenstadt“, heißt es bei der Stadtentwicklungsverwaltung. Es gibt mehr als 76 000 Parzellen in 950 Kolonien; die insgesamt rund 3100 Hektar Fläche entsprechen 3,5 Prozent des gesamten Stadtgebiets. Doch nun müssen viele Kleingärtner um ihre Lauben bangen: Bis Jahresende will der Senat entscheiden, was aus 21 Kolonien wird, deren Schutzfrist 2010 endet. Und für weitere Kleingärten in Wilmersdorf, Neukölln und Treptow steht das Aus bereits fest.

Vor mehr als 150 Jahren waren Vorläufer der heutigen Berliner Kleingärten entstanden, damals nannte man sie „Armengärten“. Bedürftige sollten sich selbst mit Obst und Gemüse versorgen können. Zusätzlichen Schwung erhielt die Kleingartenbewegung durch die Ideen des Leipziger Arztes Daniel Gottlob Moritz Schreber, der zum Namensgeber der „Schrebergärten“ wurde. Ihm ging es um körperliche Ertüchtigung im Grünen.

Während des Ersten Weltkriegs und der späteren Weltwirtschaftskrise stand die Ernährung der Bevölkerung im Vordergrund. Nach dem Zweiten Weltkrieg durften Kleingärten zum Dauerwohnen genutzt werden. Heute „schaffen Kleingärten Lebensqualität für alle Bürger und geben der Großstadt ein menschliches Gesicht“, argumentiert der „Landesverband der Gartenfreunde“, der rund 72 000 Pächter vertritt. Es gehe um soziale Kontakte, „wohnungsnahe Erholung“ und naturnahen Spielraum für Kinder. Hinzu komme die „Verbesserung des Stadtklimas“. So sehen es auch die Berliner Grünen, die den Fortbestand möglichst aller Kolonien fordern.

Im einstigen West-Berlin galten die Parzellen als wichtige Naturoasen in der ummauerten Stadt. Nach dem Mauerfall begannen Landespolitiker aber, diese Bedeutung zu überdenken: Im Umland gebe es genügend Erholungsmöglichkeiten, hieß es. 2004 beschlossen Senat und Abgeordnetenhaus den „Kleingartenentwicklungsplan“. 79 Prozent der Parzellen wurden dauerhaft gesichert, den anderen droht potenziell die Räumung.

21 Standorte verloren ihren Schutz schon 2004. Das Wilmersdorfer Gelände der 86 Jahre alten Kolonie Württemberg – wo die Gärtner 35 Cent pro Quadratmeter und Jahr zahlen – soll jetzt mit Wohnhäusern bebaut werden, und im November müssen die 48 Parzellen nahe dem Olivaer Platz aufgegeben werden.

Absehbar ist die Räumung von rund 330 Parzellen in Neukölln und 45 Kleingärten in Treptow: Sie stehen der ab 2010 geplanten Verlängerung der Stadtautobahn A 100 zum Treptower Park im Weg. „Die Autobahnplanung kann niemanden überraschen“, sagt Neuköllns Baustadtrat Thomas Blesing (SPD). Nur zwei Kolonien – „Sommerfreude“ und „Zufriedenheit“ – müssten aber komplett verschwinden. In den übrigen Fällen gehe es um Teile von Kolonien. Der Bezirk will 199 Ersatzparzellen in Buckow bereitstellen und weitere Pächter auf bestehende Anlagen verteilen. Der Bezirksverband der Kleingärtner habe mitgeteilt, dass „nur die Hälfte der Betroffenen neu anfangen will“, sagt Blesing.

Von den weiteren 21 Laubenkolonien in sechs Bezirken, die ab 2010 bedroht sein können, gilt eine als gerettet. Da Spandau auf einen Schulneubau an der Neuendorfer Straße verzichtet, kann die Kolonie „Kleckersdorf“ bleiben. Das Schicksal der anderen Standorte hänge vom Planungsstand einiger Bauprojekte ab, sagt Sachbearbeiterin Beate Wimmer von der Stadtentwicklungsverwaltung. Zum Beispiel sei am Nonnendamm in Charlottenburg unklar, ob die Berliner Feuerwehr an der geplanten Erweiterung ihrer dortigen Feuerwache zulasten der Kolonie „Bleibtreu II“ festhält.

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